Maskerade
der 18. Straße führte. „Von außen sieht das Lokal nicht besonders hübsch aus. Im Fenster stehen ein paar mottenzerfressene Farnblätter, und kein einziges Neonlicht ist da, aber Marcello bietet die allerbeste italienische Küche in ganz Philadelphia. Vor Jahren war dort ein Nachtklub in maurischer Aufmachung, und ein Teil dieser pompösen Einrichtung blieb zurück: die Atrappe eines schmiedeeisernen Balkons, ein Mosaikfußboden, und der Goldfischteich wurde umgebaut im verschnörkeltsten Rokokostil, den Sie je gesehen haben.“
„Goldfischteich?“ Penny begann sich zu interessieren.
„Ja, warten Sie nur, bis Sie ihn sehen. Er ist fast so groß, daß die Gäste darin schwimmen können.“
Die „Quelle“ wirkte, wie Marc bereits erwähnt hatte, von außen wenig einladend, aber kaum trat man zur Tür hinein, konnte man sich dem ganz eigenen Zauber dieses Raumes nicht entziehen. Am eindrucksvollsten, und wohl auch als Blickfang gedacht, war der Goldfischteich, und jeder der Gäste spazierte deshalb zuerst wenigstens einmal um ihn herum.
„Rosa Marmor, Statuen und Putten und richtige lebendige Goldfische! So altmodisch ist das alles, daß ein ganz neuer Stil daraus wird“, lächelte Marc. „Wollen wir uns nicht setzen und etwas bestellen?“
Um diese Stunde war das Restaurant noch ziemlich leer, aber auch wenn viele Gäste dagewesen wären, hätte es kaum eine Möglichkeit gegeben, die andern zu sehen, weil jeder Tisch von dichten Wänden aus Farnen umstanden war. Man konnte sich ein klein wenig einbilden, im Dschungel zu speisen. Während alle die Speisekarte studierten, hörte Penny, wie Phil sich plötzlich verlegen räusperte. Er gab sich sichtlich einen Ruck und richtete etwas unvermittelt und fast kalt die Worte an sie: „Ich hörte, daß Sie sich für Archäologie interessieren, Miß Saunders?“ Beinahe anschuldigend klang das.
Sie drehte den Kopf und betrachtete ihn, diesen armen Menschen, den man hierher geschleppt hatte und der nun ihre langweilige Gesellschaft erdulden mußte. Es gelang ihr, nahezu ebenso kühl richtigzustellen: „Nein, ich interessiere mich für Reisen.“
Liz schnaubte. „Aber Penny!“ protestierte sie, „du hast mir doch erzählt, wie spannend du Ausgrabungen findest! Oder etwa nicht? Du sagtest, daß du darum als erstes nach Griechenland fahren würdest, wenn du die Wahl hättest.“
„Möglich“, gab Penny steif zu und hoffte, daß diese Unterhaltung nicht zu einer Art Interview ihrer Interessengebiete ausartete.
„Einer meiner Klassenkameraden, Taylor Cartwright , war letzten Sommer in Griechenland“, erzählte Phil. Es klang ausgesprochen gelangweilt. Die andern schauten ihn erwartungsvoll an, aber er sagte nichts weiter. Auf seine Bemerkung folgte ein langes, sehr unbehagliches Schweigen. Penny spürte, wie Liz sie ärgerlich und etwas verzweifelt betrachtete. Penny konnte sich wohl vorstellen, was für ein sonderbares Paar sie und Phil abgaben, alle beide blaß, grimmig und offensichtlich entschlossen, Liz’ Anstrengungen, sie füreinander zu gewinnen, mit Starrsinn zu widerstehen.
„Schliemann?“ griff Liz mit dem Mut der Verzweiflung auf.
Penny schämte sich jetzt bereits schon für Liz.
Phil schoß Liz einen hochmütigen Blick zu und belehrte sie herablassend: „Miß Gordon, Schliemann ist nicht der einzige Archäologe auf der Welt.“
„Oh?“ machte Liz.
„Wahrhaftig nicht“, schloß sich Penny ihm an und fügte vorwurfsvoll hinzu: „Ich erwähnte doch bereits Thompson, Caso , Ruz, Sellins und Schäffer , von Sir Arthur Evans ganz zu schweigen.“
Phil fuhr herum und nickte ihr anerkennend zu.
„Evans ist Ihnen also vertraut?“
„Ich bin sehr viel mehr an der minoischen Kultur interessiert als an Schliemanns Werk in Troja“, erklärte sie bestimmt.
Phil nickte erneut. „ Ich auch, muß ich gestehen. Haben Sie Reproduktionen von Zeichnungen der minoischen Stiertänzer gesehen? Ich finde es erstaunlich, wie ähnlich sie den heutigen Stierkämpfern gewesen sein müssen, obgleich das schon so lange zurückliegt. — Waren Sie in Mexiko?“
„Nein“, gab Penny Auskunft, „bis jetzt noch nicht.“
„Ich plane, im nächsten Sommer dorthin zu reisen, zusammen mit Taylor Cartwright , um Studien über die Azteken zu treiben. Sie erwähnten soeben Ruz und seine Erfolge in Oaxaco ...“
Spontan entzündete sich die Begeisterung der beiden für Ruz, und sie diskutierten so angeregt, daß Marc und Liz bereits zehn Minuten lang auf
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