Maskerade der Liebe
herumlief und seine Beute beäugte.
Sobald er sie entdeckte, machte er ein noch finsteres Gesicht und schlug mit seinem Elfenbeinstock auf den Marmorfußboden. „Endlich! Sie haben sich ja sehr viel Zeit gelassen, Miss Fairchild. Kommen Sie, wir haben viel zu besprechen. “
Sie unterdrückte eine heftige Erwiderung. Nie würde sie sich an Lord Nesfields Mangel an Höflichkeit denen gegenüber gewöhnen, die unter ihm standen. Er gab dem Butler kaum Zeit, ihr den Umhang abzunehmen, bevor er sie am Arm ergriff und wie ein widerspenstiges Kind in den Salon zog. Herr im Himmel, was war bloß geschehen? Noch nie hatte sie Lord Nesfield so gereizt erlebt, obgleich er für seine Verdrießlichkeit bekannt war.
Sobald sie den üppig ausgestatteten Raum betreten hatten, ließ er sie los. Sie schaute sich um und stellte zu ihrer Verblüffung fest, dass jemand auf sie wartete. Eine Frau von beträchtlichem Umfang, einem riesigen ausgestopften Pfau nicht unähnlich, füllte einen großen Ohrensessel aus.
Emily nahm an, dass sie etwa fünfzig war, auch wenn man das Alter nicht so leicht bestimmen konnte, da sie so rundlich war, dass sie kaum Falten hatte. Sie trug ein teuer wirkendes violettes Satinkleid und auf ihrem Kopf thronte ein goldener Turban.
Eines jedoch war sicher: Nur eine Frau mit großem Selbstbewusstsein konnte eine derartige Aufmachung tragen.
Lord Nesfield sprach zuerst. „Ophelia, darf ich dir Miss Fairchild, die Tochter meines Pfarrers, vorstellen. Miss Fairchild, das ist Ophelia Campbell, die Countess of Dundee. Lady Dundee ist meine Schwester.“
Emily machte einen tiefen Knicks. Sie war neugierig geworden. Das war also die eindrucksvolle Lady Dundee. Nach dem Klatsch zu urteilen, hatte sie Heiratsangebote von einem englischen Duke und einem Marquess abgelehnt, um ihren schottischen Earl heiraten zu können. Manche behaupteten, sie wäre diese Ehe aus Liebe eingegangen, andere meinten, sie hätte es getan, um ihre gleichgültigen Eltern zu verärgern. Wie auch immer es sich verhalten mochte - man erzählte sich jedenfalls, dass ihr Verstand, ihr Witz und ihre unverblümte Redeweise ihr in der schottischen Gesellschaft trotz ihrer englischen Herkunft Respekt und Einfluss verschafft hatten.
Emily richtete sich auf und stellte fest, dass Lady Dundee sie wie ein Juwelier betrachtete, der rohe Diamanten prüfte.
„Sie fragen sich wahrscheinlich, warum ich Sie hierher bringen ließ, Miss Fairchild“, fuhr Lord Nesfield fort. „Wie Sie wissen . . . “
„Randolph, sei nicht so unhöflich“, wies Lady Dundee ihren Bruder zurecht. „Biete der jungen Dame erst einmal einen Platz an. Und lass doch endlich Erfrischungen kommen. Wir waren tagelang unterwegs, und ich fühle mich schon ganz ausgetrocknet.“
Sie nickte majestätisch in Emilys Richtung und meinte: „Verzeihen Sie meinem Bruder seine schlechten Manieren, Miss Fairchild. Er ist sehr müde. Wir waren die ganze Nacht unterwegs, um die Zeit aufzuholen, die wir wegen des schlechten Wetters verloren hatten.“
Ungeduldig wies Lord Nesfield zum Sofa, das sich seiner Schwester gegenüber befand, und befahl: „Setzen Sie sich, Miss Fairchild!“ Dann ging er zur Tür und rief nach einem Diener.
Emily tat sogleich, wie ihr geheißen worden war. Während sie auf die Erfrischungen warteten, beschoss Lady Dundee sie geradezu mit Fragen - über ihre Eltern, ihre Erziehung, ihre Lektüre. Als der Tee endlich kam, war Emily schon so weit, Lady Dundee mitzuteilen, dass sie all dies überhaupt nichts anging. Sollte das eine Art Prüfung sein? Oder fragten alle Damen der höheren Gesellschaft ihre Gäste aus?
„Wie Sie sich wahrscheinlich denken können“, begann Lord Nesfield, „habe ich Sie rufen lassen, weil ich Ihre Hilfe brauche.“
Meine Hilfe? Wie seltsam! „Ihr Diener meinte, dass es um Sophie geht.“ Emily nippte an ihrem Tee und war sich des neugierigen Blicks von Lady Dundee nur allzu bewusst. „Sie ist doch nicht krank? Darf ich sie sehen?“
„Leider ist dies unmöglich“, erwiderte Lady Dundee anstelle ihres Bruders. „Meine Nichte befindet sich auf meinem Gut in Schottland, gemeinsam mit ihrem Onkel.“ „In Schottland?“ Emily setzte ihre Tasse so heftig ab, dass der Tee überschwappte. „Ich dachte, sie wäre in London.“ „Das war sie auch.“ Lord Nesfield steckte die Hände in seine Rocktaschen und sah sehr grimmig aus. „Bevor sie versuchte, mit irgendeinem Schurken durchzubrennen.“ „Sophie? Die schüchterne
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