Maskerade der Liebe
drehte sich zum Tisch um und goss das heiße Cognacwasser über die Nelken, den Salbei und den Rosmarin, die sie in einer Porzellanschale klein gestoßen hatte. Als der würzige Duft der Kräuter die Küche erfüllte, stiegen Erinnerungen fröhlicher Zusammenkünfte in ihr auf. Sie dachte an Maskenbälle, die von dem wohlhabenden Adel gegeben worden waren.
Emily ließ sich auf einen Stuhl sinken und verschränkte die Arme. Warum konnte sie nicht endlich jene Nacht vergessen? Seitdem waren bereits zwei Monate verflossen. Die Zeit der Trauer war vorüber, und sie war zu vielen Einladungen gegangen. Einige junge Männer hatten ihr sogar ihre Aufmerksamkeit geschenkt. Inzwischen hätte sie den gan-zen Vorfall schon lange aus ihrem Gedächtnis verbannen sollen.
Lord Blackmore hatte ihn gewiss bereits am nächsten Morgen vergessen. Auch wenn sie törichterweise gehofft hatte, dass er sie in den darauf folgenden Tagen besuchen würde. Natürlich war dies nicht geschehen.
Er hatte ihr klar zu verstehen gegeben, dass ihr Zusammentreffen ihm wenig bedeutet hatte. Offenbar hatte ihre fehlende Erfahrung ihn abgeschreckt. Sie allein war töricht genug, sich an seine heißen Küsse zu erinnern und den Druck seines Mundes auf ihren Lippen.
Elende Fantasie! Warum quälte sie sich mit diesen verwirrenden Bildern?
Weil es so wundervoll gewesen war. Sie wäre bereit gewesen, ihren Ruf zu ruinieren. Oh, dieser Mann wusste wahrhaftig, wie man eine Frau liebkoste.
Verflucht sollte er sein! Bis zu diesem Zeitpunkt war ihr Leben meistens zufriedenstellend verlaufen. Es gab einen geordneten Tagesablauf, kleine Verpflichtungen und ungezwungene Freundschaften. Sie ging in die Kirche, besuchte Bekannte und führte ihrem Vater das Haus. Zugegeben, manchmal fühlte sie sich ein wenig einsam, hatte unbestimmte Sehnsüchte. Dennoch, ihr Leben war besser als das der meisten Leute, und es war ihr anerzogen worden, Gott dafür zu danken.
Dann war Lord Blackmore - Jordan - in ihre beschauliche, geordnete Welt getreten, hatte ihr bewusst gemacht, was ihr fehlte. Bis dahin hatte sie keine Ahnung gehabt, dass ein Mann das Herz einer Frau so freudig schlagen zu lassen oder solch einen heftigen Schmerz auszulösen vermochte.
Nun verstand sie die Worte des Dichters Thomas Gray: „Wo Unwissenheit Glückseligkeit bedeutet, wäre es töricht, weise zu sein.“ Sie war in ihrer Unwissenheit glücklich gewesen. Weisheit oder Erfahrung zu gewinnen, was Männer betraf, hatte sich tatsächlich als Torheit entpuppt.
„Da bist du ja“, sagte eine Stimme von der Türschwelle her. Ihr Vater trat in die Küche. „Ich hätte wissen sollen, dass ich dich hier finden würde.“
Edmund Fairchild war ein großer, hagerer Mann, der nie wie ein Geistlicher ausgesehen hatte - bis ihre Mutter gestorben war. Seitdem hatte er sich in seine Arbeit vergraben und zitierte stets die bedrückendsten Stellen, die ernstesten Verse aus der Schrift. Er, der früher so oft gelächelt hatte und voller Frohmut gewesen war, hatte nun einen resignierten Gesichtsausdruck und herabhängende Mundwinkel.
Ein Gefühl der Schuld stieg in ihr hoch, als sie seine zerknitterten Sachen und seine müde blickenden blauen Augen betrachtete. „Es tut mir Leid, Vater. Habe ich dich geweckt? Ich bemühte mich, leise zu sein. Aber ich konnte einfach nicht schlafen.“
Erschöpft ließ er sich auf einem Stuhl nieder und fuhr sich durch das zerzauste, ergrauende Haar. Zur Abwechslung huschte ein Lächeln über sein verbittertes Gesicht. „Du hast mich nicht geweckt. Hast du nicht die Kutsche gehört, die vorfuhr? Noch ehe der Türklopfer betätigt wurde, kam ich herunter, um zu sehen, wer uns zu dieser frühen Stunde einen Besuch abstattet.“
„Wer war denn dieser unhöfliche Mensch?“ Als ihr Vater die Stirn runzelte, fügte sie hinzu: „Ich hoffe, dass es nicht die Frau des Bürgermeisters war, die wieder einmal einen Birkenblatttee wollte. Wie oft habe ich ihr schon geraten, den Apotheker aufzusuchen, aber sie behauptet, ich sei die Einzige in Willow Crossing, die ihr bei ihrem Rheumatismus helfen kann. Wenn es ihr Diener ist, sag ihm bitte, dass meine Antwort noch immer nein lautet. “
„Es war nicht die Frau des Bürgermeisters.“ Ihr Vater rieb sich nun die knochigen, von Arthrose geplagten Beine. „In letzter Zeit lautete deine Antwort sehr oft nein. Dir hat es doch früher viel Freude bereitet, mit deiner Medizin zu helfen. Nun scheinst du beinahe Angst davor zu haben, außer,
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