Maskerade der Liebe
wenn es sich um etwas so Unbedeutendes wie das Elixier handelt, dass du für die Tochter Seiner Lordschaft hergestellt hast.“
Unvermittelt stand Emily auf und wandte ihre Aufmerksamkeit der Ente zu, die für das Essen gerupft werden musste. Ihr Vater durfte niemals den wahren Grund erfahren, warum sie sich fürchtete, mit Arzneien zu experimentieren. „Ich mache gerade ein Mundwasser für dich. Damit helfe ich dir doch - oder?“
„Schon, aber es ist nicht dasselbe.“ Als sie nicht antwortete, meinte er: „Wenn das irgendetwas mit deiner Mutter zu tun hat. . .“
„Natürlich nicht. Ich . . . ich habe nur das Interesse verloren herumzudoktern.“ Es überraschte sie, dass er über ihre Mutter sprach. Sie beide trauerten allein, keiner wollte den anderen mit seiner Erinnerung quälen. Ihre unausgesprochene Vereinbarung war in letzter Zeit jedoch immer häufiger aufgehoben worden.
Rasch wechselte sie das Thema. „Wenn es nicht der Diener des Bürgermeisters war, wer war dann an der Tür?“
Ihr Vater schlug sich mit der Hand an die Stirn. „Nun habe ich es ganz vergessen! Ein Lakai von Lord Nesfield wartet mit der Kutsche Seiner Lordschaft. “
„Lord Nesfield? Ich dachte, dass er wegen Sophies Debüt noch immer in London weilt.“
„Das dachte ich auch. Aber er ist wohl zurückgekehrt.“ Sie fing an, äußerst heftig die Ente zu rupfen. „Und natürlich verlangt er als Erstes, dass du zu dieser frühen Stunde zu ihm kommen sollst. Man könnte meinen, du wärst sein Diener.“
„O nein, meine Liebe. Er hat die Kutsche nicht für mich gesandt. Sie ist für dich.“
Die Ente fiel mit einem dumpfen Klatschen auf den Küchentisch. „Für mich? Warum?“
„Lord Nesfield möchte, dass du nach Ormond kommst. Sein Lakai meint, dass es um Lady Sophie geht. Du bist doch ihre Freundin.“
Emily rieb sich die Hände an der Schürze ab und blickte ihren Vater besorgt an. Sophie? War ihr etwas zugestoßen? Aber wieso würde das den Marquess veranlassen, nach ihr zu schicken? Hielt er doch nicht so wenig von ihrer Freundschaft?
Das letzte Mal, als sie Sophie gesehen hatte, war es auf dem Ball gewesen, wo sie ihr das Mittel gegeben hatte. Ein eiskalter Schauer überlief sie. Herr im Himmel - wenn ihr damit etwas zugestoßen war?
Nein, das konnte nicht sein. Es war eine harmlose Mischung gewesen. Außerdem hätte Lord Nesfield sicher nicht den ganzen Weg von London hierher zurückgelegt, um sie wegen eines Kräuterwässerchens zur Rede zu stellen. Worum mochte es sich bloß handeln?
Ihr Vater schien ihr unbehagliches Schweigen misszuverstehen. „Ich weiß, dass du ihn nicht magst, aber es wäre besser, wenn du gingst, mein Kind. Er ist schließlich mein Patron.“
„Ja, natürlich. Ich beeile mich.“ Sie löste ihre Schürze und legte sie über einen Stuhl.
Während ihr Vater mit dem Lakaien sprach, zog sie rasch ihr himmelblaues Musselinkleid an - das einzige, das für einen Empfang bei dem hochmütigen Marquess geeignet schien.
Als sie die Treppe herunterkam, ging ihr Vater in der Eingangshalle unruhig auf und ab. Sein Gesicht wirkte zerfurchter als sonst. „Pass auf, dass dich Lord Nesfields Missstimmung nicht zu heftigen Worten verleitet, Emily.“ Er beugte sich zu ihr herunter, so dass sie seine Wange küssen konnte. „Wir verdanken ihm sehr viel. Er mag zwar unangenehm sein, aber auch er ist ein Geschöpf Gottes. Denk daran.“
„Das werde ich, Vater. Mach dir keine Sorgen. Ich bin überzeugt, dass es sich um nichts Wichtiges handelt. “
Als jedoch Lord Nesfields Kutsche vor dem alten Herrenhaus vorfuhr, das auf einer bewaldeten Anhöhe lag, fiel es ihr schwer, ruhig zu bleiben. Die eindrucksvolle Fassade mit den zahlreichen Fenstern strahlte eine Furcht einflößende Autorität aus. Der Marquess of Nesfield besaß die absolute Macht in Willow Crossing. Wenn er sie und ihren Vater in den Ruin stürzen wollte, konnte er das mit einem Fingerschnippen tun.
Sie schauderte. Als sie aus der Kutsche stieg und das vergoldete Foyer betrat, wo Lord Nesfield bereits auf sie wartete, wurde ihr immer unbehaglicher zu Mute. Etwas stimmte nicht - so viel war sicher. Nur was hatte das mit ihr zu tun?
Es musste sich um etwas Wichtiges handeln. Die Kleidung Seiner Lordschaft, die gewöhnlich verschwenderisch und auffällig wirkte, war diesmal recht nachlässig und unordentlich. Er sah aus, als wäre er gerade erst aus London eingetroffen. Fast kam er ihr wie ein großer Aasgeier vor, der im Kreis
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