Maskerade in Rampstade (German Edition)
modebewußte Gentleman viel Zeit mit der Auswahl seiner Garderobe verbrachte. Doch er trug alles mit der für ihn typischen, nachlässigen Eleganz, die ich an ihm so mochte. Unterschied er sich doch dadurch von all den eitlen Gecken, die sich derart ausstaffierten, daß sie kaum mehr in der Lage waren, sich zu bewegen.
George warf einen raschen Blick von mir zu Hetty und meinte dann fröhlich: »Na, habt ihr euch schon begrüßt, ihr beiden? Ihr habt euch ja wirklich eine Ewigkeit nicht gesehen. Habt ihr euch denn überhaupt wiedererkannt?«
Hetty, die sich gleich nach seinem Eintreten auf die Seite ihres Bruders geflüchtet hatte, sagte mit ihrer leisen Stimme: »Sophia bat midi gleich wiedererkannt, nicht wahr?«
»Aber natürlich habe ich das ! « bestätigte ich nicht ganz wahrheitsgemäß. Wie klein sie war, dachte ich. Sie reichte George kaum bis zur Schulter. Sie konnte seit ihrem dreizehnten Lebensjahr kaum mehr gewachsen sein.
»Tante Heather läßt sich entschuldigen«, erklärte George. »Großmutter hat sie nicht gehen lassen, Sie will, daß Tantchen ihr beim Abendessen Gesellschaft leistet.« Da trat der Butler ein und verkündete, daß das Dinner serviert sei.
So speisten wir also nur im engsten Kreise, und es wurde ein sehr fröhlicher Abend. In der Gesellschaft ihres Bruders taute Hetty zusehends auf. Sie erzählte einige nette Geschichten, die sie in London erlebt hatte, war aber wortkarg, als ich sie nach den Schuljahren in Bath befragte. Es schien, als wolle sie über diese Zeit nicht sprechen, und ich fragte mich, ob sie wohl in dem Internat ein schlimmes Erlebnis gehabt haben mochte. Das würde auch das seltsame Verhalten erklären, das sie mir gegenüber bei der Begrüßung gezeigt hatte.
Die Herrin des Hauses sollte ich erst Tage später zu Gesicht bekommen. Es hieß, daß sich Ihre Gnaden müde und kraftlos fühle. Jeder Besuch wurde vom Arzt strikt untersagt. Nur ihre treue Kammerfrau und ihre Cousine Heather wurden in das Krankenzimmer vorgelassen. Sie befahl weder George noch Hetty zu sich und auch auf einen Antrittsbesuch meinerseits wurde verzichtet. So hatte ich Zeit, mich in Ruhe einzugewöhnen. Die Geschwister und ich unternahmen lange, ausgedehnte Ritte über die Besitzungen, Hetty hatte ihre anfängliche Scheu mir gegenüber überwunden, und so erlebten wir eine lustige Zeit miteinander. An den Abenden saßen wir entweder gemeinsam in der Bibliothek und spielten Karten oder wir verbrachten Stunden im Billardzimmer des verstorbenen Herzogs. George versuchte uns unter viel Gelächter die Grundzüge dieses Spiels beizubringen. Es waren heitere, fröhliche Tage, und doch schien eine ständige Spannung in der Luft zu liegen. Es schien, als würde jeder von uns auf etwas warten und keiner so recht wissen worauf.
Am vierten Tag nach meiner Ankunft verließ mich Mally, um nach Hause zurückzukehren.
»Schauen Sie, Miss Sophia«, hatte sie mir erklärt, »wozu soll es gut sein, daß ich dableibe und untätig umhersitze? Sie brauchen mich hier nicht als Anstandsdame. Die alte Herzogin ist da, die Quasseltante und Miss Hetty auch.«
Natürlich mußte ich ihr recht geben. Auf Rampstade Palace konnte sie mir wirklich keine Hilfe sein. Ich hatte, Melissa als Zofe, die sich um meine Garderobe und das Zimmer kümmerte. Zudem wußte ich, daß Mally sich danach sehnte, zu meiner Schwägerin zurückzukommen, um dabei zu sein, wenn sich der große Augenblick näherte. Auch wenn dieser noch Wochen auf sich warten lassen würde. Vor allem aber war mir sehr daran gelegen, daß Mally abgereist war, bevor sie von meiner geheimnisvollen Verlobung mit George Willowby erfuhr. Wie hätte ich ihr erklären sollen, daß ich mich so überstürzt und ohne James zu fragen, in eine Verlobung gestürzt hatte? Nicht auszudenken, wenn sie meinen Bruder darüber informieren würde! James hätte ich die wahren Hintergründe der Scheinverlobung enthüllen müssen, und er hätte dieses Vorgehen niemals gutgeheißen. Ihm war zuzutrauen, daß er die Herzogin von den Absichten ihres Enkels in Kenntnis setzte. Vielleicht glaubte James aber gar nicht, daß es sich nur um eine Scheinverlobung handelte, schließlich hatte ich oft genug durchblicken lassen, wie sehr mir George gefiel. Vielleicht dachte er, George hätte mich sitzengelassen, wenn wir diese Verlobung lösten. Vielleicht würde er ihn fordern oder zur Heirat zwingen. Nein, es war wirklich besser, wenn Mally so rasch als möglich abreiste! Ich unterstützte
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