Maskerade in Rampstade (German Edition)
Grund, der ihn in die Gesetzlosigkeit getrieben hat, beseitigt werden kann. Gib, daß er durch seine Tätigkeit noch keinen unwiederbringlichen Schaden angerichtet hat. Jojo war ein Gentleman von Geburt, daran gab es für mich keinen Zweifel.
Wir hatten eine breite, sich weithin erstreckende Wiese erreicht, und mein Begleiter zügelte sein Pferd.
»Na, bist du noch hinter mir?« fragte er gutgelaunt über die Schulter hinweg. »Müde?«
»Aber keineswegs«, gab ich zurück und lachte.
»Na, dann los!« Er wies mit der Hand auf die kurzen Stoppeln der frisch gemähten Wiese: »Wer als erster den Waldrand erreicht!«
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich liebte Wettrennen und hatte noch nie eine Herausforderung gescheut. Ein kurzer Schenkeldruck, und dann ließ ich die Zügel schießen. Es schien, als würde Jojo sein Pferd etwas zurücknehmen, um mich an sich herankommen zu lassen. Als wir jedoch Kopf an Kopf lagen und ich eben ansetzte, um ihn zu überholen, da zog er wieder nach vorne. Sein Rotfuchs war wirklich ein prachtvolles Pferd. Ich würde mit der braven Stute Rosalind, die der Stallmeister von Rampstade Palace mir für die Dauer meines Aufenthaltes zur Verfügung gestellt hatte, nie eine Chance haben. Jojo schlug mich um mehr als eine Länge.
»Gratuliere!« rief ich, als ich ganz außer Atem neben ihm zu stehen kam.
»Dafür, daß du kein schnelles Pferd hattest, hast du dich wakker geschlagen«, bemerkte Jojo anerkennend. Wahrscheinlich war es die Freude über dieses Lob, die mich dazu trieb, ihn kokett anzulächeln und zu fragen, was er sich als Siegespreis wünschte.
Ich hatte einmal einen Roman gelesen, da forderte der Held von der Heldin einen Kuß als Lohn für den Sieg eines Wettrennens. Ob Jojo jetzt auch die Gelegenheit nützen würde…? Er tat nichts dergleichen. Er warf mir bloß einen amüsierten Blick zu. »Wir werden sehen«, meinte er vage. »Doch jetzt reiten wir am besten erst einmal weiter. Es dauert nicht mehr lange, dann sind wir an unserem Ziel angelangt.«
Ich streifte die Haare aus der Stirn, die sich durch das wilde Tempo gelöst hatten und versuchte, sie unter dem Hut zu befestigen.
»Wohin reiten wir denn?« wollte ich wissen. Ich hatte durch den oftmaligen Richtungswechsel völlig die Orientierung verloren und wußte nicht, in welche Himmelsrichtung wir unterwegs waren. Jojo war wieder in einen Wald eingebogen, ohneauf meine Frage zu antworten. Hier war der Weg so breit, daß ich zu ihm aufschließen und neben ihm reiten konnte:
»Wohin bringst du mich?« wiederholte ich hartnäckig.
Jojo blickte zu mir herüber. In seinen Augen blitzte der Schalk.
»In meine Räuberhöhle«, sagte er und legte absichtlich ein schauriges Timbre in seine Stimme.
Ohne Zweifel, Jojo machte sich über mich lustig. Hatte meine Frage vielleicht so geklungen, als sei ich besorgt?
Auf einmal waren wir da. Auf einer kleinen Waldlichtung, die sich unversehens vor uns auftat, stand ein kleines, strohgedecktes Häuschen. Die alte Holztür war frisch gestrichen, die winzigen, bleigefaßten Fenster blitzten vor Sauberkeit. Neben der Haustür hingen schmiedeeiserne Körbe, in denen Herbstblumen in üppigen Farben wucherten. Auf einer grüngestrichenen Bank unter einem der Fenster lag eine graugetigerte Katze schlafend in der wohligen Herbstsonne. Ich saß ganz still in meinem Sattel und konnte mich nicht satt sehen.
»Gefällt es dir?« wollte Jojo wissen.
»Es ist wunderschon«, murmelte ich, ganz ergriffen von dem Anblick, der sich mir bot. »Es sieht aus wie aus einem Bilderbuch. Gerade so, als würden gar keine richtigen Menschen darin wohnen. Und du lebst hier?«
»Gelegentlich«, antwortete Jojo und schwang sich aus dem Sattel. Dann trat er zu mir und reichte mir eine Hand herauf.
»Wo sind wir denn da?« fragte ich, als er mich sanft auf den Boden gehoben hatte. »Auf wessen Grund steht dieses Häuschen?«
Ich war überrascht zu erfahren, daß wir uns im Gebiet des Earl of Cristlemaine befanden.
»Es ist das Haus eines Wildhüters gewesen«, erzählte Jojo. »Und dann habe ich mich dafür entschieden, es…ich meine, als der letzte Wildhuter, der hier lebte, starb, bin ich hier eingezogen.«
»Aber der Earl«, warf ich ein. »Weiß er, daß du hier bist?«
Jojo lächelte, und die nicht näher zu deutende Belustigung trat wieder in seine Augen: »Der Earl weiß» es«, sagte er.
Das konnte ich einfach nicht glauben!
»Der Earl weiß es«, wiederholte ich daher. »Woher kennt
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