Maskerade in Rampstade (German Edition)
er dich? Seid ihr befreundet?« Unvorstellbar, daß ein Earl mit einem Straßenräuber befreundet sein sollte. Unvorstellbar andererseits aber auch, daß Jojo diesen widerwärtigen Adligen zum Freund haben sollte.
Jojo erwog seine Antwort: »freunde?« sagte er schließlich. »In gewisser Weise sind wir vielleicht sogar Freunde. Wundert dich das?«
»Und ob!« rief ich aus und schlug mir sofort schuldbewußt die Hand auf den Mund: »Verzeih, ich wollte keinesfalls etwas Abfälliges über einen Freund von dir sagen.«
In diesem Augenblick erschien, zu meinem Erstaunen Jem, der Stallbursche von Grandfox Hall, im Rahmen der Eingangstür. Gestern noch hatte ich den Mann in der Livree des Earl nahe dessen Stallungen angetroffen, heut« war er, wieder in dunklen Reithosen, bei Jojo zu finden! Ob sich in Grandfox Hall nicht schon längst jemand Gedanken gemacht hat, wo sich der Bursche sooft herumtrieb?
Er hob grüßend die Hand an seine Mütze: »Kann ich Ihnen die Pferde abnehmen, Hauptmann?« fragte er und ergiff, ohne eine Antwort abzuwarten, die Zügel. Nun ging mir ein Licht auf:
»Das war also der Grund dafür, daß du wußtest, wo du mich finden würdest«, stellte ich fest. »Jem hat es dir gesagt.«
»Erraten«, bestätigte Jojo fröhlich und reichte mir die Hand. »Aber nun komm, ich möchte dir das Haus von innen zeigen.«
Wir gingen Hand in Hand über den Rasen: »Was bedeutet eigentlich ›Jojo‹?« wollte ich wissen.
Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß auch nicht, woher dieser Name kommt. Mit meinem richtigen Namen hat er jedenfalls nichts zu tun. Meine Mutter nannte mich immer so, wenn sie nicht gerade böse auf mich war. Und auch meine alte Nanny. Jetzt, da beide tot sind, kennen ihn nur mehr meine engsten Freunde.«
»Wie Lady Maclvor«, konnte ich mir nicht versagen dazwischenzurufen.
Er warf mir einen raschen belustigenden Blick zu. »Wie Lady Maclvor«, bestätigte er gelassen.
Ich wurde nicht schlau aus diesem Mann. Wie gerne hätte ich gewußt, was er dachte. Wie gerne hätte ich ihn ein bißchen mehr durchschaut.
Wir traten über die hohe Schwelle ins Haus. Und obwohl Jojo nicht außergewöhnlich groß war, mußte er sich bücken, um sich nicht am niedrigen Türrahmen den Kopf anzuschlagen. Ich blickte mich in dem schmalen Vorraum um, eine Wendeltreppe aus dunklem Holz führte in das obere Geschoß, das zugleich auch das Dachgeschoß sein mußte. Zwei Türen führten vom Vorraum ab, von denen Jojo eine öffnete. Vor mir lag im hellen Licht der Mittagssonne der Wohnraum. Ich hatte sicher noch nie so etwas Gemütliches gesehen! Die Wände waren mit einfachem, grobem Verputz versehen und mit kleinen Landschaftsbildern und Stickereien aus der Gegend geschmückt. Neben den kleinen Fenstern hingen freundliche Vorhänge. Im Kamin fiakkerte ein kleines, behagliches Feuer. Die Dielenbretter des Bodens waren blank geschrubbt. Überall im Raum, auf der Kommode und den Fensterbrettern, standen kleine Sträußchen mit Astern. Auf dem Eßtisch, in der Mitte des Zimmers, war für zwei Personen aufgedeckt worden, und ein kalter Lunch stand bereit. Eine große Zinnschüssel, vollgefüllt mit den verschiedensten Sorten frischen Obstes, leuchtete mir entgegen.
»Du hast gewußt, daß ich kommen würde!« rief ich überrascht aus.
»Sagen wir, ich habe es gehofft«, räumte Jojo ein und rückte mir einen Stuhl zurecht. »Hast du Hunger?«
Ich hatte beim Frühstück vor Aufregung kaum etwas hinuntergebracht. Kein Wunder, daß ich jetzt hungrig war.
Jojo nahm zu meiner Linken Platz: »Meine Lakaien haben heute Ausgang«, sagte er mit seinem eigentümlich spöttischen Lächeln. »Wir müssen uns selbst bedienen.«
Es wurde ein fröhliches, harmonisches Mittagessen.
Wir bedienten uns gegenseitig. Jojo schenkte einen roten, vollmundigen Wein in die geschliffenen Gläser. Es gab kaltes Fleisch mit verschiedenen Soßen, Brot und Gemüse. Auf einem Tischchen standen Kuchen und Käse bereit, alles war liebevoll zubereitet und garniert worden und schmeckte köstlich.
»Wer hat das alles hergerichtet?« fragte ich, weil mir meine Neugierde keine Ruhe ließ. Sollte es hier in diesem idyllischen, einsamen Häuschen etwa ein weibliches Wesen geben?
Jojo, der eben die Gabel zum Mund führen wollte, hielt inne. Es schien, als würde er überlegen, ob er mir die Wahrheit sagen sollte.
»Die Köchin von Grandfox Hall«, antwortete er schließlich.
Die Köchin von Grandfox Hall? Der Bursche von Grandfox Hall
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