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Maskerade in Rampstade (German Edition)

Maskerade in Rampstade (German Edition)

Titel: Maskerade in Rampstade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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dem Butler oder dem Stallmeister einen freien Tag, um dem Spektakel beiwohnen zu können. Ich hatte lange mit mir gerungen und dann doch beschlossen in Richtung Hartford Field zu reiten. Nicht, daß ich dabeisein wollte, wenn man Jojo hängte. Das hätte ich unter gar keinen Umständen über mich gebracht. Aber ich wollte ihn noch einmal, ein letztes Mal, sehen. Ich wollte in Gedanken von ihm Abschied nehmen, wenn sie ihn die Straße von York heraufbrachten.
    Gleich nach dem Frühstück ritt ich los, ohne irgend jemandem Bescheid zu sagen. Ich hätte nicht gewußt, wie ich all die neugierigen Fragen hätte beantworten sollen.
    Ich war gut eine halbe Stunde geritten, als ich zu der Stelle kam, an der die Poststraße aus York in die Straße einmündete, an der Grandfox Hall und Rampstade lagen. Alle wollten rechtzeitig beim Galgen eintreffen, um einen guten Platz zu ergattern. Ein uninformierter Beobachter hätte leicht den Eindruck gewinnen können, diese Menschen seien zu einem Jahrmarkt unterwegs. Sie waren fröhlich und gingen lachend und plaudernd ihres Weges. Ganze Familien sah ich die Straßen heraufkommen, mit Leiterwagen, in denen sie die kleineren Kinder mitführten. Einige junge Burschen kamen singend des Wegs. Aber auch alte Leute wollten das aufregende Ereignis nicht versäumen. Obwohl sie sich schwer auf ihren Stock stützen mußten, um den weiten Weg überhaupt zu schaffen. Mir erschien das alles so unwirklich. Es konnte doch nicht sein, daß diese Menschen, all diese einfachen, friedfertigen Menschen, sich daran ergötzen konnten, daß Jojo sterben mußte! Konnte ich wirklich nichts anderes tun, als hier hilflos am Straßenrand zustehen, angerempelt von den Leuten, die sich an mir vorbei-drängten? Während der Mann, den ich liebte, sehnlichst seine Rettung herbeisehnte. War er denn schuldig? Konnte es nicht sein, daß ihm Jem in den Rücken gefallen war? Daß diesem die Treue zu seinem Herrn, dem Earl, letztlich mehr wert war als die Freundschaft zu einem …Straßenräuber? Doch welchen Plan hätte ich fassen sollen? Was hätte ich allein ausrichten können? Eine einzelne Frau gegen zahlreiche, schwerbewaffnete Bewacher, gegen die große Menschenmenge, die nicht um ihr Schauspiel betrogen werden wollte? Und überhaupt: Was war, wenn Jojo schuldig war? Wenn er wirklich der gemeine Verbrecher war, für den man ihn hielt.
    »Ach geh schon aus dem Weg mit deinem Gaul!« schnauzte mich ein alter Bauer an. Es war mir nicht aufgefallen, daß ich mitten auf der Straße stand und den Herandrängenden das Fortkommen erschwerte. Entschlossen machte ich kehrt.
    Ich würde am Waldesrand, etwas oberhalb der Straße, warten. Im Schatten der hohen Bäume, ungesehen von der großen Schar der Schaulustigen. Ich stieg vom Pferd, band dieses an einem Baum fest und wartete. Ich weiß nicht, wie lange ich so dagestanden war und auf die Straße gestarrt hatte. Ich nahm kaum etwas davon wahr, was dort unten vor sich ging. Ich fühlte mich so allein, so verletzt, wie gelähmt, unfähig mich zu bewegen.
    Da kam plötzlich Leben in die Frauen und Männer am Straßenrand. Sie fingen mit lauter Stimme an Schimpfworte zu brüllen. Ich blickte hoch und erkannte den Grund ihres Geschreis: Zwei Berittene näherten sich auf der Straße aus York. Gefolgt von zwei mageren Pferden, die einen Wagen zogen. Den Abschluß bildeten abermals zwei Berittene, geladene Gewehre im Anschlag. Das konnte nur bedeuten, daß der Delinquent vorbeigeführt wurde. Vorbei an der Menge, vorbei an mir. Hinunter zu dem Platz, wo kaum zwei Meilen von hier der Galgen auf ihn wartete. Bei dem Wagen handelte es sich um ein hohes offenes Gefährt mit Gitterstäben an beiden Seiten. Ich stellte mich auf einen umgelegten Baumstamm, um besser sehen zu können.Doch es war mir nicht möglich, einen Blick auf den Mann im Wagen zu werfen. Das Gedränge am Straßenrand war zu dicht geworden. Zu viele Männer und Frauen verstellten mir die Sicht. Da stürmte ich, ohne lange zu überlegen, nach vorne und drängte mich durch die grölende Menge, die heftig protestierte. Ich kam gerade zurecht, als der Wagen vorbeigezogen wurde.
    »Mörder!« schrie der Pöbel. »Mörder!« Sie griffen nach dem Mann im Wagen, sie zogen ihn an seiner zerlumpten, zerrissenen Kleidung. Sie spuckten ihm mitten ins Gesicht. Ich stand wie versteinert da. Auge in Auge mit dem Mann, der auf dem Boden des Wagens kauerte und dessen grüne Augen unter schweren Lidern verschlagen zu mir

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