Maskerade in Rampstade (German Edition)
Gespenst und du seist geritten, als sei der Teufel hinter dir her!«
Das leise Zuschnappen einer Tür verriet, daß uns der Butler endlich allein gelassen hatte. Langsam wandte ich mich George zu. Aus irgendeinem unbestimmten Grund machte es mir diebischen Spaß ihn zu ärgern: »Du willst wissen, wo ich gewesen bin? Nun, ich hatte eigentlich vorgehabt, mich von dem Mörder zu verabschieden, bevor sie ihn hängten, Du weißt doch, der Mann, der den Wirt erwürgte. Aber schließlich habe ich meine Pläne geändert und mit einem Straßenräuber zu Mittag gegessen«, erklärte ich, als sei das ein selbstverständliches Tagesprogramm.
»Sophia!« fuhr George auf und kniff seine Lippen zusammen. »Es ist jetzt nicht die richtige Zeit für Spaße! Großmutter hat nach dir gefragt. Wir konnten ihr nicht sagen, wo du zu finden seist. Sie hat sich über dein Verschwinden so aufgeregt, daß sie sich umgehend wieder zu Bett begeben mußte. Weißt du denn nicht, was eine derartige Aufregung für sie bedeutet?«
Schlagartig wurde ich ernst. Mein Verhalten war wirklich unverzeihlich gewesen. Ich wollte mich eben bei ihm entschuldigen, als er fortfuhr: »Weißt du denn nicht, wie gefährlich das für mich ist? Was ist, wenn … wenn es Großmutter schlechter geht, bevor der Notar bei ihr war?«
Fassungslos starrte ich ihn an. Hatte dieser Mann denn gar kein Gefühl? Dachte er immer nur an seinen eigenen Vorteil?
»George«, sagte ich kalt, »ich will kein Wort mehr darüber hören! Wenn du wüßtest, wie abstoßend ich dein Gerede finde. Du und deine unwürdige Gier!«
»Wie kannst du es wagen, so mit George zu sprechen!« rief eine aufgebrachte Stimme von der Tür zur Bibliothek her. Hetty hatte die Halle betreten, ohne daß einer von uns beiden ihr Kommen bemerkt hatte. Wild gestikulierend kam sie näher. Ich konnte die kleine Person mit dem zorngeröteten Gesicht nur ungläubig anstarren. Ich hatte die zurückhaltende, kichernde Hetty noch nie so aufgebracht und kämpferisch erlebt.
»Wie kannst du ihm vorwerfen, gierig zu sein!« fuhr sie auch schon fort »Ist es nicht sein gutes Recht, um sein Erbe zu kämpfen? Was kann er denn dafür, daß er nicht mit so reichen Eltern gesegenet ist, wie du es warst? Was kann er denn dafür, daß sein Vater alles Vermögen am Spieltisch durchgebracht hat? Ist es da wirklich ein Unrecht, daß George versucht, von seiner Großmutter zu erben, um seine Frau und später auch seine Kinder versorgen zu können? Ist es wirklich so schändlich, verhindern zu wollen, daß alles an einen Cousin fällt, der selbst mehr als genug besitzt? Hast du wirklich das Recht, den Stab über George zu brechen? Hast du das?« Bei den letzten Worten war sie in Tränen ausgebrochen, die ihr nun in Strömen über die Wangen liefen. Ihr Bruder mußte sie in den Arm nehmen und trösten. Die beiden boten ein rührendes Bild echter Geschwisterliebe. Doch ich war nicht in der richtigen Stimmung, es zu würdigen.
»Alles schön und gut«, sagte ich, während ich die Treppe hinaufstieg, um in mein Zimmer zu kommen. »Aber das ist alles eine Frage des Stils. Und im übrigen ist es nicht mein Problem, wie George einmal seine Frau und seine Kinder zu ernähren gedenkt, denn ich werde ihn ja nicht heiraten.« Diese unfreundlichen Worte bewirkten, daß Hetty noch heftiger schluchzte.
Während George vergeblich versuchte, sie zu beruhigen, warf er mir einen bitterbösen Blick zu: »Sprich eine Spur weniger laut, wenn ich bitten dürfte«, zischte er mich an. »Wenn dich jemand hört. Noch sind wir verlobt …«
Ich wollte keinesfalls weiter mit den beiden streiten. Also ließ ich sie einfach in der Halle stehen und zog mich in mein Zimmer zurück.
An diesem Abend hatte ich keine Lust, mit den Geschwistern zu dinieren. Als dann auch noch Mrs. Plusbellow, die Kammerfrau der Herzogin, anklopfte und mir mitteilte, ihre Herrin würde mich erst am nächsten Nachmittag zu sprechen wünschen, da beschloß ich, in meinem Zimmer zu bleiben. Ich schützte wieder einmal Kopfschmerzen vor und bat Melissa, mir das Abendessen in mein Zimmer zu bringen.
So traf ich Hetty und George erst am nächsten Morgen beimFrühstück wieder. Es war keine sehr angenehme Mahlzeit. Denn obwohl wir uns gegenseitig für die ungestümen Worte entschuldigten, die einer dem anderen brüsk an den Kopf geworfen hatte, obwohl wir uns darin überboten um Verzeihung zu bitten, wollte sich doch der kameradschaftliche Ton, der in den vergangenen Wochen zwischen
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