Maskerade in Rampstade (German Edition)
die gerechtere Lösung gewesen? Zumindest hätte es George erspart, einen Narren aus sich zu machen. Natürlich stand es mir nicht zu, diese Gedanken der Herzogin darzulegen. Ich war ja in Wahrheit nur eine Außenstehende. Sobald ich mit Jojo verheiratet war, würden mich die Bewohner von Rampstade Palace vermutlich nicht einmal mehr grüßen.
»Du kennst doch Max?« wollte die Herzogin wissen.
»Ja, ich habe ihn auf dem Ball kennengelernt.« Ich sah die hochgewachsene Gestalt mit den blaßblauen Augen deutlich vor mir. Hoffentlich hatte meine Stimme nicht verraten, daß mir dieser Mann ganz und gar nicht gefiel. Doch Mylady konnte ich nicht täuschen.
»Und du magst ihn nicht«, stellte sie sachlich fest. War ich wirklich so leicht zu durchschauen?
»Dann kennst du ihn nicht richtig«, fuhr sie fort. »Max kann ein sehr arroganter Bursche sein, wenn er will. Aber er hat ein gutes Herz und einen äußerst wachen Verstand. Und viel Humor. Außerdem hat er Charakter, und er scharwenzelt nicht andauernd um mich herum und versucht … naja, lassen wir das.«
Ich wußte auch so, daß sich ihr letzter Vorwurf gegen George gerichtet hatte. Mylady verharrte einige Augenblicke ganz in Gedanken: »Morgen kommt der Notar«, sagte sie schließlich. »Ich will die lästige Angelegenheit endlich hinter mich bringen. Ich habe George mein Versprechen gegeben, dieses Testament nie mehr abzuändern, komme was da wolle. Und ich werde mein Versprechen nicht brechen.«
»Was immer auch geschieht?« entfuhr es mir, und ich hätte mir am liebsten auf den Mund geschlagen.
Mylady warf mir einen durchdringenden Blick zu. »Was immer auch geschieht«, sagte sie fest.
Ob sie sich wohl im Traum hätte einfallen lassen, was noch alles geschehen würde?
»Und nun, mein Kind, möchte ich dir etwas zeigen. Siehst du die Truhe dort drüben?« Sie deutete mit ihren langen, knochigen Fingern auf ein voluminöses, schwarzes Möbelstück, das in der Ecke neben dem Kamin stand.
»Öffne sie und bringe mir ein Päckchen. Es liegt ganz obenauf und ist in Seidenpapier eingeschlagen.«
Ich stand auf und tat wie mir geheißen. Das Päckchen entpuppte sich als ein leichter, zusammengelegter Stoff. Durch die dünnen Lagen des Papiers war Spitze zu fühlen. Ich schloß die Truhe wieder und reichte das Gewünschte an Mylady weiter. Mit wachsender Neugierde schaute ich ihr zu, wie sie langsam die verknoteten Bändchen löste und schließlich das Seidenpapier zu beiden Seiten zurückschlug. In ihrem Gesicht spiegelte sich wehmütige Erinnerung. Ich starrte auf den Stoff in ihren Händen. Es war eine wunderschöne alte, kostbare Brüsseler Spitze, weiß, etwas vergilbt vielleicht, aber tadellos erhalten.
»Diese Spitze ist wunderschön«, sagte ich bewundernd. Mylady fuhr aus ihren Gedanken auf. Es hatte den Anschein, daß sie mich für kurze Zeit völlig vergessen gehabt hatte.
»Das ist ein Brautschleier«, erklärte sie leise. »Ich habe ihn getragen und meine Mutter vor mir. Auch meine Töchter haben ihn getragen und meine Enkelin Sylvia, als sie ihren Schotten heiratete. Und nun ist er für die Bräute meiner Enkel bestimmt.«
Ich starrte sie fassungslos an. Es war mir plötzlich, als hätte ich mich rettungslos in dem Lügennetz verfangen. Ich mochte die alte Dame. Nie hätte ich ihr weh tun wollen. Was sollte ich nun sagen? Daß ich George niemals heiraten würde? Daß die Verlobung nur dazu diente, George das Erbe zu sichern?
»Und nun sage ich dir noch etwas«, fuhr die Herzogin mit geheimnisvoll gesenkter Stimme fort, so wie man mit Kindern spricht, bevor man ihnen einen lang ersehnten Wunsch erfüllt: »Der Bischof hat zugesagt, euch zu trauen. «
»Der Bischof hat zugesagt …«, stammelte ich hilflos.
»Ja, stell dir vor, ich konnte ihn tatsächlich dazu überreden. Ich hatte ihn gebeten, die Trauung hier in der Kapelle von Rampstade vorzunehmen. Zu Weihnachten, weißt du. Ich stelle es mir wunderschön vor. Und gestern ist der Brief des Bischofs angekommen, in dem er mir die Freude machte und zusagte, die Zeremonie persönlich vorzunehmen.«
Sie war so stolz, so voller Freude! Wie hätte ich ihr diese Freude nehmen können?
»Es wird nur eine kleine Hochzeitsfeier, nur der engste Familienkreis. Ich denke an nicht mehr als sechzig oder siebzig Personen. So viele können wir ohne Probleme in Rampstade unterbringen. Was meinst du, wie die vornehme Welt reagiert, wenn sie nächste Woche eure Verlobungsanzeige in der Gazette liest! Eure
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