Maskerade in Rampstade (German Edition)
erheben. Es war mir schon einmal aufgefallen, daß sich Miss Heather in Anwesenheit ihrer Cousine bemühte, möglichst selten in ihre weitschweifige Redeweise zu verfallen. »Dafür spricht sie um so mehr, wenn wir mit ihr alleine sind«, hatte George trocken gemeint, dem ich meine Beobachtung einmal mitgeteilt hatte.
»Nun, mein Kind«, begann die Herzogin in ungewöhnlich mildem Tonfall, »du darfst dich zu mir setzen.« Ich zog mir einen Sessel zum Bettrand und wartete gespannt auf das, was mir Mylady zu sagen haben würde.
»Gefällt es dir hier in Rampstade Palace?« erkundigte sie sich freundlich. Das konnte ich ruhigen Gewissens mit ja beantworten, und ich bedachte das Schloß mit einigen lobenden Worten.
»Das freut mich zu hören«, sagte sie und lächelte mir zu, »und dich wird es freuen, daß ich mich entschlossen habe, deinen George zu meinem Haupterben einzusetzen. «
Sie blickte mich so voller Erwartung an, daß ich meinen Blick senken mußte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich auf diese Mitteilung reagieren sollte. George hatte sein Ziel erreicht, das war das erste, was mir durch den Kopf ging. Und daß wir nun nicht mehr länger gezwungen waren, die Verlobten zu spielen. Aber was sollte ich zu der alten Dame sagen?
»Na, freust du dich denn gar nicht?« Die Matratzen waren so hoch, daß ich nach oben blicken mußte, wenn ich mit Mylady sprechen wollte.
»O doch, natürlich sehr«, murmelte ich.
»Es freut mich, daß du nicht habgierig bist«, sagte sie daraufund beschämte mich damit zutiefst. Ich fühlte mich so unbehaglich und hätte George am liebsten den Hals umgedreht. Wie kam ich dazu, daß ich um seinetwillen diese liebe alte Frau anlügen mußte. Und doch, ich war schon viel zu sehr in die Sache verstrickt, als daß ich jetzt noch eine Kehrtwendung hätte machen können. Und überhaupt: Warum sollte ich mich der undankbaren Aufgabe unterziehen, Georges Großmutter reinen Wein einzuschenken. George hatte sich diese Suppe eingebrockt, er sollte sie auch auslöffeln. War mir dieses Gespräch schon bisher als der Gipfel der Peinlichkeit erschienen, so sollte es noch viel schlimmer kommen.
»Ich will dir sagen, daß ich in den Wochen deines Hierseins einen sehr guten Eindruck von dir gewonnen habe. Mir gefällt es, daß du so vernünftig und selbständig bist. Ich habe den Eindruck, du hast dein Leben fest im Griff.«
Wenn sie wüßte, dachte ich. Ich hatte gar nichts im Griff. Ich war verlobt mit einem Mann, den ich nicht heiraten wollte und wollte einen Mann heiraten, der nächtens die Landstraßen unsicher machte.
»Und ich wollte dir danken dafür, daß du so einen wohltuenden Einfluß auf meinen Enkel ausübst«, fuhr die Herzogin fort. »George erscheint mir ruhiger geworden zu sein. Er ist nicht mehr so sprunghaft und leichtfertig. Allein der Umstand, daß er sich so liebevoll um seine jüngere Schwester kümmert, die er früher nie beachtete. Ich glaube, auch das haben wir dir zu verdanken.«
»Ich glaube, daß das daher kommt, daß George älter und gesetzter wird«, protestierte ich schwach. Ich hatte noch nicht feststellen können, einen guten Einfluß auf irgend jemanden zu haben, schon gar nicht auf George Willowby. Der tat doch ohnehin nur das, was er wollte.
»Ich denke, mit einer klugen, treuen Frau an seiner Seite wird er würdig in die Rolle des Erben von Rampstade hineinwachsen. Er wird kein Vermögen verschleudern, wie es sein unseliger Vater getan hat. Ich kann ihm Rampstade mit ruhigem Gewissen anvertrauen.«
Was hätte ich darauf erwidern sollen? Ich wußte es nicht und entschied mich, ihr schweigend und möglichst dankbar entgegenzulächeln.
»Den Teil des Besitzes, der an Grandfox Hall grenzt und durch einen kldeinen Bach von unserem eigentlichen Gebiet abgetrennt ist, muß ich allerdings Max vermachen. Es ist zwar auch ein ausgedehnter Flecken Erde, aber George wird ihn nicht vermissen. Weißt du, das bin ich Max schuldig. Ich kann ihn doch nicht völlig leer ausgehen lassen. Überdies hat dieser Grundanteil in früheren Zeiten ohnehin einmal zu Grandfox Hall gehört. Irgendein Vorfahre von den Cristlemaines hat es im Spiel einmal an einen Rampstade verloren. Ich will es ihm jetzt zurückgeben. Ich hoffe, du hast dafür Verständnis.«
Ich nickte. Natürlich hatte ich das. Auch wenn ich den Earl nicht mochte, so hatte ich mir doch von allem Anfang an die Frage gestellt, warum die Herzogin den Besitz nicht einfach jedem Enkel je zur Hälfte gab. Wäre das nicht
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