Maskerade in Rampstade (German Edition)
Hochzeit wird das Ereignis des Jahres … «
»Nächste Woche!« fuhr ich entsetzt dazwischen. »Man wird nächste Woche unsere Verlobungsanzeige in der Gazette lesen?«
Die Herzogin schaute ein wenig schuldbewußt aus: »Ich dachte, du würdest dich freuen«, sagte sie. »Ich dachte, ihr jungen Leute seid ganz erpicht aufs Heiraten. Und da habe ich heute morgen einen der Burschen nach London geschickt. War das denn nicht in deinem Sinne?«
»Aber, mein Bruder«, stotterte ich. »Wir wollten doch noch seine Zustimmung einholen. Ich kann doch nicht … «
»Oje, ich bin mit den Jahren wirklich vergeßlich geworden. Der Brief deines Bruders ist schon vor Tagen hier eingetroffen. Ich dachte, ich hätte es dir ausrichten lassen.« Sie beugte sich zuihrem Nachtkästchen hinab und nestelte eine Zeitlang, zunehmend nervös werdend, in der Schublade.
»Da ist er ja«, rief sie schließlich erfreut und schwenkte triumphierend einen zusammengefalteten, weißen Briefbogen, der eindeutig die Handschrift meines Bruders trug.
»Dein Bruder schreibt wirklich sehr nett. Warte, wo habe ich denn …« Sie griff nach ihrem Lorgnon und begann vorzulesen:
»Dankend für Ihr freundliches Schreiben, et cetera, et cetera …, darf ich Sie davon in Kenntnis setzen, daß Sophia seit einem knappen Jahr nicht mehr meiner Vormundschaft untersteht. Es steht ihr daher frei, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, auch im Hinblick auf die Wahl ihres Ehegatten. Ich vertraue Sophias Urteilsvermögen. Sollte sie sich tatsächlich für meinen Freund George Willowby entschieden haben, so wird es mir eine Ereude sein, ihn als meinen Schwager willkommen zu heißen. Mit der vorzüglichsten Hochachtung …«
Sie legte das Augenglas beiseite und reichte das Schreiben an mich weiter. Der gute James. Sein Vertrauen in meine Urteilsfähigkeit rührte mich. Doch zugleich stieg mir auch wieder die Röte in die Wangen. Ob die Herzogin wohl gemerkt hat, daß George und ich sie belogen, als wir ihr erzählten, James sei mein Vormund?
»Und jetzt will ich dir noch vorlesen, wie ich die Verlobungs-anzeige formuliert habe, also hör zu: ›Ihre Gnaden, die Herzoginwitwe von Rampstade, Viscountess von Wicklefield, Rampstade, Yorkshire, freut sich, Kunde zu geben von der Verlobung ihres Enkels George Willowby, Sohn des Honourable Richard Paul Willowby und seiner verstorbenen Gattin Catharine …‹«
In diesem Augenblick wurde an der Tür geklopft, und die kleine Kammerfrau trat ein, um das Kommen des Arztes anzukündigen.
»Soll warten!« rief die Herzogin mürrisch und durch diese plötzliche Unterbrechung um ihre gute Laune gebracht. »Sophia und ich sind noch nicht fertig. Ich werde läuten.«
Ich hörte gar nicht richtig zu. Nun war alles aus! EineVerlobung, die bereits in der Gazette angekündigt war, konnte nicht mehr gelöst werden. Der Skandal wäre zu groß gewesen. Noch dazu, da auch der Hochzeitstermin bereits verlautbart wurde. Ich hatte, als die Kammerfrau eingetreten war, einen Blick auf Myladys Schreiben werfen können. Der 24. Dezember war darin als Hochzeitstermin festgelegt. Ich würde George heiraten müssen. Da half wohl alles nichts mehr.
Aber ich wollte George nicht heiraten! Die Herzogin mußte dazu gebracht werden, die Anzeige zurückzuziehen. Der Bote mußte aufgehalten werden! Ich war kaum fähig, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Ich wußte nur eines: Ich mußte sofort zu George. Es lag an ihm, seiner Großmutter die Wahrheit zu sagen. Sollte er sich doch etwas ausdenken, um uns aus dieser mißlichen Lage zu befreien.
»Dr. Broker hat nur kurz Zeit, Euer Gnaden«, mischte sich die Kammerfrau wieder ein. »Er ist rasch vorbeigekommen, obwohl er eigentlich schon unten im Dorf sein sollte. Sie wissen, bei der Pächtersfrau, die kurz vor der Niederkunft steht …«
»Ach, ist schon gut«, murrte die alte Dame und fuhr, zu mir gewandt, fort: »Du siehst, du mußt jetzt gehen. Wir werden ein anderes Mal weitersprechen. Ich darf den Arzt nicht unverrichteter Dinge wegschicken. Ich fühle mich noch nicht ganz gesund.«
Wieder bekam ich ein schlechtes Gewissen. Ich stand auf und trat an das Bett, unschlüssig wie ich mich verhalten sollte. Schließlich gab ich einem plötzlichen Impuls nach und küßte sie auf ihre weiße, welke Wange.
»Danke«, murmelte ich. »Vielen Dank für alles.«
Dann raffte ich meine Röcke und eilte zur Türe, getrieben von dem sehnlichen Wunsch, das Schlafgemach zu verlassen.
XIV.
Während der Arzt
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