Maskerade in Rampstade (German Edition)
wieder!
»Mein Entschluß steht fest«, sagte ich daher auch jetzt, ohne auf seine Vorbehalte einzugehen. Der Stallmeister war jedoch nicht so leicht mundtot zu machen wie Melissa.
»Nun, dann müssen wir ihn eben umstoßen«, sagte er selbstsicher und setzte dabei ein onkelhaftes Lächeln auf, das mich richtiggehend in Rage brachte. Ich haßte es, wenn man mich nicht ernst nahm. Andererseits konnte ich mich mit dem Mann auch nicht anlegen, schließlich war ich auf sein Wohlwollen angewiesen. Und vor allem darauf, daß er mir einen Wagen zur Verfügung stellte, der mich zum Gasthaus brachte, wo ich in die Postkutsche umsteigen konnte. Ich setzte daher an, meine Bitte, so höflich wie es mir nur möglich war, zu wiederholen.
Doch der Stallmeister hörte mir gar nicht zu: »Josef, Henry, Greg!« rief er aus und drängte sich an mir vorbei durch die offene Türe, die in den Stall führte. Die Burschen, die er gerufen hatte, unterbrachen ihre Arbeit und kamen eilig heran. »Joseph und Henry, ihr macht die Gästekutsche reisefertig. Spannt ›Silberstreift‹ und ›Engel auf Erden‹ davor. Greg, du geh deine Sachen packen, du wirst Miss Matthews begleiten.«
Greg, ein großgewachsener, kräftiger Bursche, mit kurzen Stichelhaaren und einem ernsten Gesicht, nickte und eilte aus dem Stall.
»Seine Sachen?« fragte ich verwundert. »Er wird doch keine Sachen brauchen für die Fahrt zum ›Grünen Anker‹! Das kann doch nicht einmal eine Stunde dauern …«
»Pah, ›Grüner Anker‹!« rief der Stallmeister aus. »Ihre Gnaden, unsere Herzogin, pflegt ihren Gästen immer eine Kutsche für die Heimreise zur Verfügung zu stellen, wenn kein eigenes Fahrzeug vorhanden ist. Ihre Gnaden weiß doch, daß Sie abreisen?«
»Ja, natürlich«, versicherte ich schnell, wenn auch nicht ganz wahrheitsgemäß. Ich würde der alten Dame eine Nachricht hinterlassen. Ich konnte nur hoffen, daß sie nicht gar zu erzürnt sein würde, wenn ich aufbrach, ohne mich persönlich bei ihr zu verabschieden. Und mir noch dazu eine Kutsche samt Kutscher entlieh. Aber zumindest dafür konnte ich die Verantwortung auf den Stallmeister abschieben. Hatte er mir die Kutsche nicht regelrecht aufgedrängt? Natürlich konnte ich so ein verlockendes Angebot nicht ausschlagen.
»Na, sehen Sie«, unterbrach der Stallmeister meine Gedanken. »Und was sollte Ihre Gnaden dagegen einzuwenden haben, wenn wir Ihnen die Gästekutsche zur Verfügung stellen? Wo Sie doch noch dazu kein gewöhnlicher Gast sind, sondern die Verlobte ihres Enkelsohnes?«
»Ich bin…«, begann ich. Ich unterbrach mich jedoch sofort. Ich hatte sagen wollen, daß ich gar nicht die Verlobte des Enkelsohnes war. Aber das stimmte ja gar nicht. Ich war schließlich die Verlobte des Earls of Cristlemaine. Zumindest der Zeitung nach.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar«, schloß ich daher den Satz. »Bitte lassen Sie den Wagen zum Haupteingang bringen. Mein Gepäck steht bereit.«
»Werde ich, Miss. Und gute Reise.«
Er wollte die Finger grüßend an die Mütze heben, doch ich reichte ihm dankbar die Hand zum Abschied. »Vielen Dank«, sagte ich.
Er ergriff sie und schüttelte sie kräftig. »Gern geschehen, Miss«, meinte er und grinste nun leicht verlegen.
Ich eilte durch die Seitentüre und die schmale Treppe zurück in mein Zimmer.
Zwei Lakaien waren eben dabei, meine Koffer, Taschen und Hutschachteln in die Halle zu tragen. Zu meinem Erstaunen war Melissa nirgends zu sehen. An ihrer Stelle wachte das strenge Auge der Haushälterin persönlich über den Gepäcktransport.
»Ah, Miss Matthews«, sagte sie, als sie meiner ansichtig wurde und hielt mir die Tür auf. »Das war alles. Bringt das Gepäck zur Eingangstür. Mr. Blessom hat sicher veranlaßt, daß die Gästekutsche vor das Hauptportal gefahren wird?« Die letzte Frage war an mich gerichtet. Mr. Blessom war der Stallmeister. Ich nickte und ging, an der Haushälterin vorbei, in mein Zimmer. Alles wirkte nun kahl und unbewohnt. Der Vorhang, den die Mädchen hatten aufhängen wollen, hing an einigen Haken auf der Vorhangstange befestigt, quer vor dem Fenster.
Mein blaues Reisekleid lag bereit. Die dazu passenden Stiefelchen standen vor dem Bett. Hut und Handschuhe auf der Kommode. »Das ist aber sehr aufmerksam von Ihnen!« rief ich dankbar aus. Ich stellte erst jetzt fest, daß ich für eine so weite Reise höchst unpassend gekleidet war. Aber schließlich hatte ich am Morgen, als ich das zartgelbe Musselinkleid gewählt hatte,
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