Maskerade in Rampstade (German Edition)
ausgeben soll?« fragte ich statt dessen.
»Das ist die Schwester Seiner Lordschaft«, erklärte Jojoj als sei das nichts Außergewöhnliches.
»Sie glauben doch nicht wirklich, daß ich bereit bin, mich für die Freundin der Schwester Seiner Lordschaft auszugeben«, brüllte ich über die Schulter zurück. Der Wind war stärker geworden, und ich mußte laut sprechen, wenn ich von meinem Begleiter überhaupt gehört werden sollte.
»Die Dame weiß doch, daß sie mich noch nie gesehen hat und wird…«
Jojo lachte. »Nichts wird sie«, sagte er amüsiert, »weil sie nämlich gar nicht da ist. Lady Sylvia weilt zur Zeit in London. Sie sehen also, es kann gar nichts passieren.«
»Kann gar nichts passieren?« wiederholte ich ungehalten über die Gelassenheit, mit der dieser Jojo mich in seinen unglaublichen Plan einweihte.
»Und was ist mit der Dienerschaft? Sie glauben doch nicht, daß ein herrschaftlicher Haushalt mir nichts dir nichts eine fremde Person bei sich beherbergt, allein auf Ihre Aussage hin, sie sei mit der Schwester des Hausherrn befreundet!«
»Sie vergessen Jem«, erklärte Jojo ruhig. »Jem ist Stallbursche auf Grandfox Hall. Wenn er sagt, daß Sie die Freundin von My-lady sind, wird keiner der Dienstboten einen Anlaß sehen, daran zu zweifeln.«
Diese Bemerkung war wirklich überraschend. Was konnte einen Stallburschen, der auf einem gräflichen Landsitz eine gute Stelle hatte, veranlassen, sich einer Bande Straßenräuber anzuschließen?
»Ihr Wort in Gottes Ohr«, meinte ich ergeben und fügte mich meinem Schicksal. Vielleicht gelang der Plan dieses Straßenräubers wirklich, und ich würde mich in nicht allzu langer Zeit in einem weichen, sauberen Bett wiederfinden. Wirklich ein verlockender Gedanke. Den Rest des Weges ritten wir schweigend. Jojo kannte ohne Zweifel die Gegend ganz genau. Und so ritt er querfeldein über Felder und Wiesen, durch die dichten Waldungen. Obwohl nun schon alles in tiefstes Dunkel getaucht war und das fahle Licht des zunehmenden Mondes die Nacht kaum merklich erhellte, schien er keine Schwierigkeiten zu haben, sich zu orientieren oder mich vor Ästen zu warnen, die gefährlich tief auf unseren Weg herabreichten. Diese Fähigkeit wird sicherlich für seine Raubzüge unbezahlbar sein, dachte ich mit Schaudern.
Und doch, seltsamerweise fürchtete ich mich nicht mehr. Hätte mir einmal jemand prophezeit, ich würde mich freiwilligvon einem Straßenräuber in ein Haus bringen lassen, das ich nicht kannte, hätte dieser Mensch gesagt, ich würde das Abenteuer nicht beängstigend, sondern angenehm aufregend finden, hätte man mir gesagt, ich würde mich in der Anwesenheit des Räubers ungewöhnlich wohl fühlen – ich hätte ihn beschimpft, ein Narr zu sein. Und doch waren das genau die Gefühle, die ich jetzt empfand.
Wir hatten eben den Wald verlassen und waren über eine schmale Wiese galoppiert, als Jojo das Tempo zügelte und das Pferd schließlich vor einem kunstvollen, schmiedeeisernen Gittertor zum Stehen brachte.
»So, da wären wir«, erklärte er. »Das ist ein Seiteneingang zu Grandfox Hall. Es ist besser, wir lassen Simplicity hier stehen und gehen das letzte Stück zu Fuß.«
Er schwang sich aus dem Sattel und streckte mir beide Arme entgegen, um mir hinunterzuhelfen. Ich spürte den warmen, festen Griff, mit dem er mich umfing und mich sanft und sicher auf die Erde stellte. Ich konnte in der Dunkelheit Jojos Blick nicht deuten, und doch hatte es beinahe den Anschein, als wolle er mich in seine Arme nehmen. Aber entweder hatte ich mich geirrt oder er hatte es sich anders überlegt, jedenfalls ließ er mich nach kurzem Zögern los.
»Ihr Verlobter sollte Ihnen nicht gestatten, so allein quer durch das Königreich zu reisen. Hat er denn wirklich so wenig Verstand, daß er nicht erkennt, in welche Gefahr sich ein Mädchen damit begibt? Noch dazu, wenn es so ungewöhnlich hübsch ist, wie Sie es sind?«
Dieses Kompliment traf mich unerwartet. Ich bin sicher rot geworden und war froh, daß man das aufgrund der Dunkelheit nicht sehen konnte.
»Mein Verlobter?« wiederholte ich und fühlte mich seltsamerweise dazu gedrängt diesen Irrtum aufzuklären: »Aber ich bin doch gar nicht verlobt.«
Jojo zog eine Augenbraue hoch, und ich hatte den Eindruck, als würde er mir nicht glauben. »Das ist ja erstaunlich«, murmelte er.
Noch ein eindringlicher Blick in mein Gesicht, dann wandte er sich ab und begann vorsichtig, das Gittertor einen Spaltbreit zu
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