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Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
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Zähne aufeinander. Mich überkam die dunkle Vorahnung, jemand von denen könnte mit meiner Mutter gesprochen haben.
    »Er hat sich als Hassan vorgestellt.« Meine Luftröhren zogen sich zusammen, ich konnte kaum atmen, so schnell füllte sich mein Körper mit Zorn.
    »Was hat er von dir gewollt?« Die mögliche Antwort auf diese Frage ließ meinen Körper brodeln wie einen Vulkan.
    »Er hat gesagt, viele Leute wollen dir an die Gurgel und dann …«, meine Mutter brach ab, sie wollte den Satz nicht beenden.
    »Was dann?«
    »Dann hat er ein Messer aus der Tasche gezogen und gesagt …« Meine Mutter sah mich an.
    »Mama, was hat er gesagt?«
    »Er hat gesagt, das Messer könnte bald in mir stecken, wenn du dir nicht endlich helfen lässt.« Mein Herz raste. Ich rannte in mein Zimmer, bückte mich und griff nach der einzigen Waffe, die ich besaß – nach einem Baseballschläger, der unter meinem Bett lag. Meine Mutter schrie, versuchte mich festzuhalten, doch ich schüttelte sie ab und rannte in Unterhemd und Boxershorts raus, entschlossen, jedem, der mir in die Quere kam, den Kopf zu zertrümmern.
    Ich lief die Straße herunter, doch Hassan war weit und breit nicht zu sehen. Eine Gruppe Jugendlicher ging an mir vorbei, ich brüllte sie an: »Wer will mir was, hä? Kommt doch alle her!« Sie rannten verängstigt davon. Ich war wutentbrannt – mein Kopf war hochrot und meine Adern pochten. Ich ging wieder in die Wohnung, wo meine Mutter am Küchentisch saß und weinte.
    »Ist es dir das wirklich wert?«, schluchzte sie. Ich kniff die Lippen zusammen, ich wusste, das alles war nur meine Schuld.
    »Das wird nicht noch einmal vorkommen – das verspreche ich dir.«
    »Irgendwann wird dir jemand noch wegen dieser verfluchten Musik etwas antun!«
    »Das wird nicht passieren«, versicherte ich ihr, war mir dabei aber gar nicht mehr so sicher. Was mir aber ernsthaft Sorgen machte, war, dass ich um das Leben meiner Mutter fürchten musste. In diesem Augenblick realisierte ich erst, dass ich ein einzelner Soldat war, der gegen eine Armee kämpfte. Gangster-Rapper, was anfangs nur meine Musikrichtung klassifizieren sollte, wurde von heute auf morgen Realität.
    Ich war zu einem Gangster-Rapper wider Willen geworden. Es war Zeit, mir Hilfe zu suchen, und zwar von Leuten, die mir wirklich helfen wollten. Am selben Tag machte ich mich auf den Weg nach Neukölln. Ich betrat ein kleines, von außen unscheinbares Café in der Emser Straße. Die Scheiben waren abgedunkelt, was dem Raum eine düstere Atmosphäre verlieh. Wie ein düsterer Tunnel führte ein schmaler Gang zu einer Sitzecke am Ende des Raumes. Durch einen Nebel aus Zigarettenrauch ging ich geradeaus darauf zu, in der Hoffnung, den Menschen zu finden, den ich suchte. Auf der rechten Seite saß ein älterer südländischer Mann, der die Spitzen seines Bartes wie guten Stoff zwischen den Fingern rieb und sich mit einem anderen Mann unterhielt, der eine modische Pilotenbrille auf der höckerigen Nase trug. Die männliche Bedienung musterte mich, und in diesem Moment hatte ich das Gefühl, alle Augen wären auf mich gerichtet. Ich fühlte mich wie ein Fremdkörper in dieser obskuren Lokalität.
    Ashraf saß zusammen mit einem mir Unbekannten ganz hinten, zog an einer Zigarette und unterhielt sich mit einem Mann, der mir mit dem Rücken zugewandt war. Ich hatte ihn nach der zufälligen Begegnung im Studio nicht mehr gesehen, und an jenem Tag hatte ich nur wenige Sätze mit ihm gewechselt. Auf Anhieb empfand ich für Ashraf große menschliche Sympathie. Am Ende unserer Unterhaltung nannte er mir die Adresse dieses Cafés. Ich könnte jederzeit vorbeikommen, wenn ich Hilfe bräuchte. Also kam ich vorbei, mit der Absicht, einen Wildfremden um Hilfe zu bitten. Ich wusste nicht, ob Ashraf jemand war, der mir helfen konnte. MC Basstard hatte mich damals vor ihm gewarnt: »Er ist ein Mafioso, ihm kannst du nicht trauen. Der wird dir ein Messer in den Rücken rammen, wenn er dadurch einen Vorteil hat.« Ashraf sah mich kommen, lächelte, die strahlend weißen Zähne und die gepflegte Erscheinung passten ganz und gar nicht in das Fitting eines gewöhnlichen Berliner Ganoven. Er stand auf, reichte mir die Hand und bat mich einen Augenblick am Tisch nebenan Platz zu nehmen, weil er noch etwas klären musste.
    Erst als ich mich setzte, konnte ich Ashrafs Gegenüber erkennen: einen älteren, ergrauten Deutschen im Anzug, der so gar nicht an diesen leicht anrüchigen Ort zu passen

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