Massiv: Solange mein Herz schlägt
ich unbedingt mit Neffi von Universal Records zusammenarbeiten. Neffi meinte, ich sei ein ungeschliffener Diamant, er hielt sehr viel von mir und wollte mich unbedingt anwerben. Letztendlich entschied ich mich für Sony, dabei boten sie nur 20000 Euro mehr als Universal. Sie waren eigentlich meine zweite Wahl, doch Bushido war bei Universal, und ich hatte nicht vor, die zweite Geige zu spielen. Das war der einzige Beweggrund für meine Entscheidung. Eine Woche, nachdem ich den Vertrag unterschrieben hatte, verkündete mein Plattenlabel stolz, auch Bushido unter Vertrag genommen zu haben.
Anfangs lief trotzdem alles glatt. Als Erstes veröffentlichten wir mein selbst vermarktetes Debütalbum als Re-Release: Wir packten alle Hits von Blut gegen Blut zusammen auf eine CD und ergänzten sie um mehrere neue Stücke, eines davon »Wenn der Mond in mein Ghetto kracht«. Meine Geschichte faszinierte die Journalisten, weil ich der Junge aus der Provinz war, der es aus eigener Kraft geschafft hatte, groß rauszukommen.
Ich war zu der Zeit wohl derjenige Rapper, über den am häufigsten berichtet wurde. Spiegel TV , RTL aktuell , Taff und, und, und – alle möglichen Sendungen brachten Reportagen, alle namhaften Zeitungen veröffentlichten Artikel über mich. Ich bewegte mich auf völlig neuem Terrain, weil mir die Medien bisher so fremd wie dem Fisch der Himmel waren. Ich war nicht besonders gut darin, Interviews zu geben oder – noch viel schlimmer – charmant zu sein. Mein Zuhause war die Bühne, der Rest war nur der Vorgarten. Zwar hatte ich an mich geglaubt, aber diese Dimension nicht erwartet. Mit so viel Erfolg hatte ich nicht gerechnet. Ein Mensch, der als Niemand geboren und das Leben eines Verlierers geführt hatte, konnte von dem Duft des Erfolges schnell berauscht werden. Erfolg kann sich in eine Droge verwandeln, von der man nie genug kriegen kann, die nach und nach den Charakter verdirbt. Glücklicherweise musste ich mir darüber keine Sorgen machen – meine Eltern ließen solcherlei Veränderungen niemals zu.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich kurz nach der Vertragsunterzeichnung mit Sony meine Familie zum Essen ausführen wollte. Nicht in einen Imbiss, sondern in ein richtiges Restaurant. Die Monate zuvor waren für uns alle sehr hart gewesen. Meine Eltern fanden keine Anstellung, meine Mutter ging putzen, und mein Vater arbeitete ab und zu als Hausmeister, so kamen wir wenigstens einigermaßen über die Runden. Nach einiger Zeit hatte sich herumgesprochen, dass Ashrafs Clan hinter mir stand, die Drohungen gingen zurück, trotzdem fanden immer wieder Angriffe statt, nur eben von Maskierten, die meine Mutter mit Eiern bewarfen oder mich von hinten attackierten.
Es war wie mit einem Schwarm Piranhas, die sich an mir festgebissen hatten und einfach nicht loslassen wollten. Deshalb freute ich mich umso mehr, als sich die Zeit von Pech und Pleiten dem Ende zuneigte und am Horizont der Silberstreif erster Erfolge auftauchte. Es dauerte Wochen, bis ich meine Familie überredet hatte, zusammen essen zu gehen. Schon nach wenigen Minuten rutschte meine Mutter auf ihrem Stuhl hin und her, als säße sie auf heißen Kohlen.
»Müssen wir unbedingt in ein so teures Restaurant gehen?« Mama schaute mich gequält an, ganz so, als wäre sie im Wald in eine Bärenfalle getappt.
»Mama, das ist nur das Block House, wir sind nicht im Kempinski-Hotel.« Ich musste mir das Lachen verkneifen, weil Baba die Karte wie eine Landkarte studierte.
»Seht euch mal die Preise an, jallah, jallah – ich esse nur einen Salat«, motzte Baba. Die Kellnerin lächelte verlegen und erkundigte sich, was für einen Salat Baba essen wollte.
»Den billigsten.«
»Baba, du bestellst dir ein Steak – ihr bestellt euch alle gefälligst ein Steak, und zwar das teuerste auf der Karte.«
»Nein«, Mama schüttelte den Kopf.
»Ich habe keinen Hunger«, maulte Amani.
»Du spinnst doch«, schimpfte Baba, und ich stöhnte, einerseits genervt, andererseits belustigt über so viel unhöfliche Bescheidenheit.
»Bist du nicht Massiv?« Die Kellnerin sah mich mit großen Augen an.
»Ja.«
»Oh mein Gott, kann ich bitte ein Autogramm haben?« Sie hob ihre balkenhaften Augenbrauen an und schaute mich bittend an.
»Ja, natürlich.« Ich signierte auf einem Blatt, bestellte vier Mal das teuerste Steak auf der Karte und ignorierte die Proteste meiner Familie.
»Wie oft soll ich es noch sagen: Ich habe einen 250000-Euro-Vertrag
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