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Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
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unterschrieben! Von einem Essen werden wir schon nicht arm.«
    »Nicht so laut«, flüsterte meine Mutter. »Hier sind Menschen, die würden dich für so viel Geld umbringen.« Die Kellnerin brachte vier saftige Steaks mit Beilage, und für einen kurzen Moment herrschte Ruhe.
    »Ich glaube nicht, dass du so viel Geld bekommen hast«, murmelte Baba, während er sein Steak anschnitt.
    »Das sagst du ständig.«
    »Welcher Idiot zahlt so viel Geld für einen pöbelnden tätowierten Frevel?«
    »Baba, ich habe dir doch den Kontoauszug gezeigt.« Ich führte die Gabel in meinen Mund und genoss das saftige Steak, nach Monaten der Abstinenz.
    »Sie nehmen es dir wieder weg.«
    »Baba, ich habe einen Vertrag unterschrieben, sie können es mir nicht wieder wegnehmen.«
    »Ein Vertrag ist nur ein Stück Papier.«
    »Wir sind in Deutschland und nicht im Flüchtlingslager. Menschen nehmen Verträge hier sehr ernst.«
    »Warum sollte dir jemand so viel Geld geben? Wofür?« Ich musste lachen und verschluckte mich dabei an meiner Cola.
    »Weil ich gut bin«, antwortete ich selbstgerecht.
    »Kann man gut im Fluchen und Beschimpfen sein?«
    »Dein Vater hat recht, ich finde deine Texte furchtbar. Ich schäme mich, so etwas zu hören. Du bist doch ein gläubiger Muslim, so habe ich dich nicht erzogen«, mischte sich Mama ein und warf einen kritischen Blick auf ihren Teller. Sie schnitt so vorsichtig in das Fleisch, als wäre es noch ein lebendiges Rind.
    »Ich kann nicht mehr.« Amani schob ihren Teller von sich weg.
    »Die Hiphop-Szene hat eben ihre eigene Kultur, das müsst ihr verstehen.« Die vielen Erklärungsversuche scheiterten immer, Hiphop war für meine Eltern eine Welt, in der halbnackte Frauen in Videos tanzten und vollgepumpte Rapper ins Mikro bellten. Damit konnten sie nichts anfangen.
    »Ja, aber das hat doch nichts mit Musik zu tun«, meinte Baba.
    »Es ist Kunst, andere Kunst, aber Kunst.«
    »Schlechte Kunst.«
    »Baba, es gibt keine schlechte Kunst, nur schlechte Künstler.«
    »Jaja.« Ich konnte es meinem Vater eben nie recht machen, auch nicht mit einem 250000-Euro-Vertrag. Wenn er mich im Fernsehen sah, schaltete er um oder verließ das Zimmer. Er akzeptierte, was ich tat, mehr nicht. Meine Mutter ärgerte sich andauernd über meine Songs und wollte nicht verstehen, warum ich nicht einmal ein gefühlvolles Lied machte. Trotzdem war sie stolz, ihren Sohn im Fernsehen zu sehen – egal warum –, und einmal erwischte ich sie sogar dabei, wie sie ihren Verwandten meine CD schickte.
    »Ich bin satt«, sagte meine Mutter.
    »Du hast doch kaum etwas gegessen, dein halbes Steak ist noch da«, erwiderte ich.
    »Ich lasse mir das Steak einpacken, die Salatreste und«, sie schaute auf den Tisch, »auch das Brot.«
    »Nein, Mama, das wirst du nicht tun. Du blamierst mich.«
    »Wie bitte? Wie kannst du nur so etwas sagen? In Palästina verhungern Kinder, ich lasse es doch nicht zu, dass man etwas wegwirft – wir sind doch keine Millionäre.« Mama sah mich an, als würde sie mich nicht wiedererkennen.
    »Sieh ihn dir an, Hiam , kaum verspricht ihm jemand Geld, wird er schon hochnäsig, tztztz .« Mein Vater schnalzte mit der Zunge und kaute auf seinem letzten Bissen herum.
    Jetzt war ich also der Hauptact eines Musikfestivals. Nach dem Konzert gab ich noch Autogramme. Für Fans nahm ich mir immer Zeit, immerhin waren sie es gewesen, die mich nach oben gebracht hatten. Kids und Jugendliche kamen auf mich zu, baten um Fotos und Autogramme. Manche sagten mir, wie gut ihnen mein Album gefiel, wie sehr sie mich liebten und sich wünschten, so zu sein wie ich. Ein Junge zeigte mir stolz ein Tattoo: Es zeigte das Logo meines Labels Al Massiva.
    Wie die meisten Rapper, hatte ich parallel zum Songschreiben und -aufnehmen mein eigenes Label gegründet. Mein Logo zeigt einen von Stacheldraht umgebenen Löwenkopf, der eine lange Narbe im Gesicht trägt. Das Motiv steht für die Menschen in Palästina, die seit Jahrzehnten Gefangene im eigenen Land sind. Als Rapper ergriff ich von Anfang an politisch Partei, denn ich polarisiere, und als Person der Öffentlichkeit habe ich viel Macht. Auf die Bühne zu gehen, Musik zu machen und wieder nach Hause zu gehen, war nie genug. Deshalb lautet der Slogan meines Labels auch: »Al Massiva ist kein Label! Al Massiva ist eine Bewegung!« Immerhin hatte ich den Durchbruch mit einem Song mit sozialkritischem Hintergrund geschafft. Ich hielt mich nicht für einen Weltverbesserer, doch manchmal

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