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Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
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Eigentlich kann man sagen, dass wir Menschen niemals richtig glücklich sind: Wenn wir wenig haben, wollen wir mehr, wenn wir mehr haben, wollen wir alles, und wenn wir alles haben, kriegen wir noch immer nicht genug. Ich aber hatte meinen Ausgleich im Leben gefunden – wenn ich auf die Bühne ging und meinem Publikum Hoffnung, Mut und Selbstbewusstsein gab, wusste ich, dass ich meinen Platz im Leben gefunden hatte. Auf die Bühne zu treten und meine Songs zu performen verwandelte sich in eine Art Lebenselixier. Ich war mir sicher, solange ich lebe – unabhängig davon wie viele CDs ich verkaufen und Konzertsäle füllen würde –, musste ich weitermachen. Hat man erst seine Bestimmung gefunden, muss man an ihr festhalten, ihr gerecht werden, solange man kann.
    Baba meinte einmal, mit einem Mann, den jeder mag, stimmt etwas nicht. Vielleicht hatte er recht, denn ein Mann muss manchmal Entscheidungen treffen, die keinem schmecken, und Wege gehen, die keiner versteht. Ein Mann, nein, ein Mensch , der von jedem gemocht werden will, versucht es allen recht zu machen – und solange man es allen recht machen will, bleibt man ein Körper ohne Persönlichkeit, eine Hülle ohne Inhalt, weil man sich äußerlich an Umstände anpasst, die einem innerlich missfallen. Deshalb fand ich mich recht schnell mit der Tatsache zurecht, dass mich sehr viele nicht mochten, sogar regelrecht hassten . Meine Person und mein Auftreten zielten darauf aus zu provozieren, ich wollte geliebt oder gehasst werden, eben kein lauwarmer Everybody’s Darling sein.
    Ich schaffte es, die Gemüter zu spalten. Meine Fans, meine echten Fans, verehrten mich dermaßen, dass sie bereit gewesen wären, mit mir in den Krieg zu ziehen, und meine Feinde verabscheuten mich so sehr, dass sie nachts wahrscheinlich davon träumten, mich umzubringen. Ich wurde von allen Seiten attackiert. Die Libanesen warfen mir vor, ein Libanese zu sein, der sich als Palästinenser ausgebe, die Palästinenser hetzten, ich sei ein Palästinenser, der sich für einen Libanesen halte, die Berliner ärgerten sich, weil ich aus Pirmasens kam und mich wie ein Weddinger benahm, die Pirmasenser regten sich auf, weil ich aus Pirmasens kam und einen Song über den Wedding gemacht hatte, und die Eltern der Jugendlichen, die meine Musik hörten, prangerten mich an, weil ich gewaltverherrlichende Musik machen würde. Mit anderen Worten: Die meisten hatten eine Meinung zu Massiv, auch wenn sie negativ ausfiel. Doch das alles perlte wie Regen an mir ab. Denn die Aufregung war auch ein Grund für meinen Erfolg. Wenn du in der Musikbranche gemocht wirst, bist du erfolgreich, wenn du gehasst wirst, hast du es geschafft.
    Jede Medaille hat eben zwei Seiten. Es ist wie mit einem Essen in einem sündhaft teuren Restaurant. Das herzhafte Steak zergeht einem auf der Zunge, die Sinne erfreuen sich an den anregenden Aromen, der Gaumen explodiert vor lauter Vorfreude bei dem Gedanken an das herrliche Dessert und am Ende – am Ende  – bekommt man die Rechnung, die sich jeder Vorstellungskraft entzieht. Man ärgert sich, fragt sich, ob der kurze Genuss das viele Geld überhaupt wert war, doch beim Gedanken an den fabelhaften Geschmack, an den man sich noch Wochen erinnern wird, weiß man, ja , es war es wert. Wenn ich also auf die Bühne ging, die leuchtenden Augen sah und feststellte, dass ich tatsächlich ein Talent hatte, mit dem ich Menschen bewegen, zum Nachdenken bringen und sogar glücklich machen konnte, wusste ich, ja, es war es wert.
    Auch von anderen Musikern wurde ich angefeindet und richtiggehend gehasst. In der Rap-Szene hasste jeder jeden, der mehr Erfolg hatte. Der eine Rapper hatte Beef mit dem anderen, und eigentlich hatte jeder Beef mit jedem, solange es der Karriere nützen konnte. Nur wenige Rapper zollten mir Respekt, die meisten fühlten sich von mir in die Enge getrieben, denn meine stetig wachsende Fangemeinde und das Interesse der Medien weckten Neid. Innerhalb kürzester Zeit gab es über hundert Disstracks, die sich ausschließlich um die Person Massiv drehten. Die meisten davon wurden von mäßig erfolgreichen Rappern aufgenommen, bekannte Rapper hatten so etwas nicht nötig. Wenn man eben selbst keinen Erfolg hat, muss man auf dem Erfolg anderer rumhacken. Ich hielt nicht besonders viel von Disstracks, machte lieber Songs über mich selbst und was ich so erlebte. In der Hiphop-Szene ist es aber wie auch im sonstigen Leben: Man muss sich wehren, wenn man nicht

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