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Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
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ich meine, ich habe ihnen saftige Steaks ins Gehege geworfen – dabei habe ich selbst noch nie ein Steak gegessen.«
    »Lustig.« Sie lächelte.
    »Ich bin mit einem gebrochenen Bein davongekommen. Aber von allen Arten zu sterben, wäre mir das die liebste gewesen. Von Tigern in Stücke gerissen zu werden – das hätte keiner so schnell vergessen.« Mirac kam nun richtig in Fahrt.
    »Scheiß auf deine Tiger!«, schimpfte ich und hielt meinen Fuß fest. Das Mädchen sah endlich mich wieder an.
    »Ich werde jetzt etwas tun – aber du musst deine Augen schließen und die Zähne zusammenbeißen«, sagte sie selbstsicher.
    »Was willst du tun?«, fragte ich einerseits verunsichert, andererseits neugierig.
    »Deinen Fuß wieder einrenken.«
    Ich wollte lachen, doch wegen der Höllenqualen stieß ich nur ein wieherndes Pferdegeräusch aus.
    »Das wirst du ganz bestimmt nicht tun.«
    »Keine Sorge, ich kann das.« Ihr Selbstbewusstsein ging mir auf die Nerven.
    »Siehst nicht gerade aus wie eine Ärztin.«
    »Meine Mutter arbeitet beim Orthopäden – ich habe so was schon ein paar Mal gesehen.«
    »Nein, lieber nicht«, stöhnte ich.
    »Hast du etwa Angst?« Sie grinste höhnisch.
    »Ha!«, stieß Mirac aus.
    » Nein, tu es einfach«, zischte ich, obwohl ich am liebsten davongelaufen wäre – wenn ich gekonnt hätte. Das grünäugige Mädchen beugte sich sichtlich zufrieden herunter. Sie nahm meinen Fuß in die Hand. »Ein Tigerherz kennt keinen Schmerz«, sagte sie augenzwinkernd. Mit einer ruckartigen Bewegung drehte sie meinen Fuß zurück in die richtige Position. Ich verspürte einen elektrisierenden Schmerz, versuchte aber, meinen leidenden Gesichtsausdruck, so gut ich konnte, zu verbergen.
    »So, schon fertig, aber du musst trotzdem ins Krankenhaus.«
    » Ach, wirklich«, entgegnete ich benommen.
    »Ich bin übrigens Isabella, du kannst mich Bella nennen – das bedeutet die Schöne .« Erst da leuchtete es mir ein, wer sie war.
    »Ich bin Wasiem, du kannst mich Wasiem nennen – das bedeutet auch der Schöne «, laberte ich und fragte mich gleichzeitig, wie ich etwas so Bescheuertes nur sagen konnte. Das musste wohl an den Schmerzen liegen.
    »Seine Eltern wussten vorher nicht, was da rauskommt«, quatschte Mirac dazwischen.
    »Ich weiß, wer du bist.« Bella sah mich an.
    »Was?«, stammelte Mirac, fassungslos darüber, dass ein Mädchen wie Bella wusste, wer ich war.
    »Du bist der Junge, der ein Problem mit Juden hat.«
    »Ich habe kein Problem mit Juden«, kam es unfreundlich aus mir heraus. Na toll, ärgerte ich mich, Bella hatte mich als Judenhasser mit Dreck im Gesicht in Erinnerung. Kein Wunder, dass sie so genau wusste, wer ich war.
    »Ich dachte ja nur.« Sie zuckte mit den Achseln und verkniff sich ein Lächeln.
    »Du bist Italienerin, oder?«, versuchte ich, das Thema zu wechseln.
    »Halbitalienerin, meine Mutter ist Deutsche.«
    »Dann bist du also ein Bastard?«
    Das Nächste, was ich spürte, war ein brennender Schmerz auf meiner Wange, Bella hatte mir eine schallende Ohrfeige verpasst und lief mit wütenden Schritten davon.
    »Ein Bastard ?« Mirac lachte schadenfroh.
    Mirac meinte immer, er wüsste alles über Mädchen und Sauereien, und dann musste ich jedes Mal grinsen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, irgendein Mädchen wäre so verzweifelt, Sauereien mit Mirac anzustellen. Ich hatte das Gefühl, dass er von Jahr zu Jahr hässlicher wurde, dabei hatte er jetzt schon riesige Segelohren, faule gelbe Zähne und eine Art Buckel wie der Glöckner von Notre-Dame. Er sagte, der Buckel komme davon, dass er seit seinem sechsten Lebensjahr jeden Abend die Kotze seines Vaters vom Boden aufwischen müsse – und genau das machte Mirac wiederum aus: seine Geschichten. Er verpackte sein tragisches Leben in lustige und wilde Storys und servierte sie den anderen Kindern auf einem Silbertablett, wie ein Gericht, das nicht schmeckte und doch jeder probieren wollte. Er wollte kein Mitleid, sondern allen beweisen, dass ihm das Leben den Buckel runterrutschen konnte.
    Am Tag darauf erzählte er überall herum, wie ich das schönste Mädchen der Stadt einen Bastard genannt hatte. Außerdem war mein Fuß hinüber. Doch etwas Gutes konnte ich dem Unfall abgewinnen: Wie der Zufall es so wollte, landete ich bei dem Orthopäden, wo Bellas Mutter als Sprechstundenhilfe arbeitete. Das erste Mal, als mich Bella dort sah, ging sie eingeschnappt an mir vorbei und würdigte mich keines Blickes. Das zweite Mal

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