Massiv: Solange mein Herz schlägt
ging ich auf sie zu, sie sah mich giftig an und drehte mir den Rücken zu. Das dritte Mal schlich ich mich von hinten an und tippte ihr auf die Schulter. Sie warf mir einen seitlichen Blick zu und verdrehte die Augen.
»Tut mir leid wegen neulich.«
»Du hältst dich wohl für besonders lustig, ja?«
»Ich kannte die richtige Bedeutung des Wortes nicht.«
»Jedes Kind weiß, was ein Bastard ist«, sagte Bella etwas zu laut, ihre Mutter drehte sich um und beäugte mich misstrauisch.
»Ich hatte mal einen Hund, der war Italiener und …« Ich redete mich um Kopf und Kragen. »Naja, wie auch immer, danke für deine Hilfe. Du kannst das echt gut.«
Bellas Züge entspannten sich.
»Ich will später Ärztin werden«, sagte sie stolz, griff in ein Regal nach einer Zeitschrift über Rückenbeschwerden und blätterte darin, weil sie wohl besonders erwachsen wirken wollte.
»Ohrfeigen verteilen kannst du auch sehr gut.« Bella lächelte zögerlich und betrachtete abwesend das Bild eines Hohlkreuzes.
»Fußball wirst du die nächste Zeit nicht mehr spielen können.«
»Mindestens zwei Jahre nicht, hat der Arzt gesagt.« Ich setzte mich neben Bella auf einen freien Stuhl im Wartezimmer. Die Schiene um meinen Fuß machte das Geräusch einer Tür, die schon länger nicht geölt worden war.
»Hmm, ich mag auch Fußball spielen.« Ich erinnerte mich an das Fußballtrikot, das sie bei unserer ersten Unterhaltung getragen hatte. Sie wendete flüchtig eine Seite in der Zeitschrift, und es erschien ein nackter Frauenkörper. Beschämt blätterte sie weiter.
»Und was machst du sonst so?«, fragte ich und stellte damit eine Frage, die man stellte, wenn einem nichts mehr einfiel.
»Hmm, Schule halt … hmm … hier manchmal rumsitzen und so.«
»Ach so.«
»Was willst du machen, jetzt, wo du kein Fußball mehr spielen kannst?« Bella sah mich an.
»Irgendwas.« Ich zuckte mit den Schultern.
KAPITEL 8
Gut und böse
Es ist doch immer dasselbe: Zuerst hat man eine Frau im Herzen, dann auf den Knien, dann im Arm und dann am Hals.
Mario Adorf
Ich klingelte an der Tür, Bella kam runter. Sie trug eine dunkelblaue Jeans und einen schlabbrigen grünen Pullover, von dem sie wohl dachte, er würde ihre Augen betonen, sie in Wirklichkeit aber klobig und unbeholfen aussehen ließ. Sie pustete sich eine Locke aus dem Gesicht und umarmte mich halbherzig – nach sieben Jahren Beziehung waren die wilden Zeiten längst vorbei. Unser Verhältnis ähnelte dem eines Rentnerpaares, das sich nur noch angiftete und schon seit Jahren in getrennten Betten schlief. Aus dem Augenwinkel sah ich Bellas Mutter, die sich, wie immer, hinter der Gardine versteckte und aus dem Fenster spähte, als würde sie ein Verbrechen beobachten. Sie konnte mich nicht ausstehen, und außer einem abfälligen Blick hatte sie nicht viel für mich übrig. Wenn ich Bella besuchte, grüßte mich ihre Mutter zwar anstandshalber, das aber mit einem Gesichtsausdruck, der einen annehmen ließ, ihr würde gerade ein Hund ans Bein pinkeln. Ich nahm es ihr nicht mal übel, denn was war ich schon? Ein kahl rasierter, volltätowierter Araber mit der Statur eines Seemanns, ohne Job oder wenigstens einer Ausbildung. Hätte meine Schwester – Gott behüte – so einen wie mich als meinen zukünftigen Schwager präsentiert, wäre ich auch nicht unbedingt entzückt gewesen.
Mit fünfzehn ließ ich mir mein erstes Tattoo stechen. Ich ging zu einem Tätowierer, der dafür bekannt war, schwarz in seiner Wohnung zu arbeiten. Ein langer dünner Kerl, der in einer engen Karottenhose mit nacktem volltätowierten Oberkörper in einem muffigen Zimmer hockte, an dessen Wänden ausgerissene Zeichnungen von nackten weiblichen Anime-Figuren klebten.
»Wie alt bist du?« Eine seiner Augenbrauen fehlte, ich fragte mich, ob das Absicht oder ein Rasierunfall war.
»Achtzehn«, log ich. Er zog die Stirn hoch, die Tätowierung entlang seiner Kopfhaut verformte sich. Warrior, las ich. Krieger, fand ich, sahen anders aus.
»Hast du einen Ausweis?«
»Nein.«
»Wehe, du verrätst mich.«
»Nein, bestimmt nicht.« Damit war das Thema erledigt.
»Hast du dir schon ein Motiv überlegt?« Der Krieger, der eher aussah wie ein abgemagerter neuzeitiger Rockstar der Londoner Szene zündete eine regenbogenfarbene Bong an.
»Ich will etwas Kraftvolles.«
»Hab mir schon fast gedacht, dass es kein Häschenmotiv wird.« Sein Blick wanderte von meiner Brust zu meinen breiten Schultern, die das
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