Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
Vom Netzwerk:
Mirac sparte er keinen Groschen und warf sein Geld zum Fenster raus. Er feierte ausschweifende Partys in ganz Deutschland, hatte immer mehrere Freundinnen gleichzeitig, die er allesamt finanzierte, und unzählige parasitengleiche Pseudofreunde, die er durchfütterte. Häufig redete ich auf ihn ein, weil ich nicht mitansehen konnte, wenn er wie eine Weihnachtsgans ausgenommen wurde, leider vergeblich.
    Vier Tage nach Bellas Geburtstag besuchte ich ihn zu Hause. Ich hatte um sechzehn Uhr einen Termin mit einem Kunden, und die Pillen waren bei Machmud gelagert – der Gedanke, meine Mutter würde die Pillen finden und sie mit Kopfschmerztabletten verwechseln, schreckte mich zu sehr ab, um sie bei mir zu verstecken. Mirac meinte immer, ich solle gefälligst aufhören, »Termin« und »Kunde« zu sagen, schließlich sei ich kein verkackter Banker, aber ich fand, es hörte sich wichtiger an als »Treffen mit einem Junkie«. Und der erste Schritt, wichtig zu werden, war es, wichtig zu wirken. Ich sah an Machmud herunter, der wieder mal eine neue Designerhose trug und sich anscheinend auch eine breite Königskette gegönnt hatte.
    »Machmud, du bist zu verschwenderisch.«
    »Wofür soll ich sparen? Das Leben ist kurz, und ich will es genießen.« Machmud grinste, und ich fand, er hatte sein Leben schon genug genossen. Auf dem Tisch lagen vier Handys, eins für die Kunden, eins für die Weiber, eins für Freunde und Familie und ein weiteres, um besonders beschäftigt auszusehen. Er klemmte seine Zunge zwischen die Zähne und stapelte mithilfe zweier Spielzeugschaufeln (wie ich ihn kannte, hatte er sie einem ahnungslosen Kind gestohlen) Kokain aufeinander.
    Erst drei Wochen zuvor waren wir aus der Jugendstrafanstalt entlassen worden, und wir hatten uns hoch und heilig geschworen, nie wieder Scheiße zu bauen. Ein Vorsatz, der keine zweiundsiebzig Stunden hielt.
    »Du lebst nur für heute, aber was ist mit morgen? Wenn du wieder im Bau landest – allein bei der Menge Koks«, ich zeigte auf den schneeweiß bedeckten Tisch, »sitzt du die nächsten drei Jahre und hast nicht einmal Geld beiseitegelegt.«
    Ich war anders gestrickt und schätzte Geld. Ich hatte den Plan, noch drei Jahre zu verkaufen, bis ich genug gespart hatte, um mir und meiner Familie – in einer anderen Stadt oder einem anderen Land – etwas Vernünftiges aufzubauen. Machmud ging es mehr um den Lifestyle als ums Geld. Durch die Lieferungen war er viel herumgekommen, hatte in der ganzen Bundesrepublik wilde Partys gefeiert und brüstete sich mit seinem Job. Er erklärte, er wolle der größte Gangster der Stadt werden. Ich erwiderte, das dürfte nicht so schwer werden, in diesem Kaff gebe es nur mäßige Konkurrenz.
    »Dann eben der größte Gangster des Landes!« Für unser Alter verdienten wir gutes Geld, natürlich nie genug, um reich oder zu echten Gangstern zu werden, denn das beschauliche Kaff war nicht unbedingt als Hochburg für gemeingefährliche Verbrecher geeignet. Hier zeigten schon die Nachbarn mit dem Finger auf dich, wenn du beim Kaugummiklauen erwischt wurdest.
    »Geld ist zum Ausgeben da. Guck mal Mirac an, der lebt wie ein Penner. Seit drei Jahren trägt er immer dieselben Schuhe. Und als wäre das nicht schon komisch genug, klebt der sich dauernd Gummireste unter die Sohlen … ist das ein Tick? Der hat doch schon mindestens eine halbe Million unter seinem Kopfkissen gebunkert.« Nachdem Miracs Vater letztendlich an der Leberzirrhose gestorben und die Katze davongerannt war, lebte er alleine in der alten Wohnung. Er war der wirklich geizigste Junge der Stadt, gönnte sich nie neue Klamotten, ging nie draußen essen und hatte nie eine Freundin. »Bist du dir sicher, Mirac ist Zigeuner?« Machmud nahm etwas von dem Stoff in die Hand.
    »Ja, warum?«
    »Der ist bestimmt Jude, von dem ganzen Geld kann er bald als Geldverleiher arbeiten und Zinsen nehmen.« Er verrieb das Koks zwischen den Fingern und sagte, guter Stoff würde beim Reiben einen öligen Film hinterlassen. Das Kokain hatte es ihm angetan, damit ließ sich auch das meiste Geld verdienen.
    »Wir müssen los.« Ich sah auf die Uhr, um vier wartete ein Kunde in Kirchberg auf uns. Machmud steckte das Kokain in eine Plastiktüte und verstaute es unter seinem Bett, als würde es sich um ein Paar Schuhe und nicht um einige Jahre Gefängnis in pulvriger Form handeln. Dann holte er eine Tüte mit den Pillen aus seiner Sockenschublade heraus.
    »Du bist wirklich vorsichtig«, meinte ich

Weitere Kostenlose Bücher