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Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
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siehst aus wie ein Gangster aus der Bronx und lässt die Pillen fallen – lass dir doch gleich Dealer auf die Stirn tätowieren.« Ich hob das Tütchen auf und steckte es mir in die Hosentasche.
    »Du bist auch nicht gerade unauffällig.« Ich zeigte auf Machmuds Kette, die wie Goldbarren im Licht glänzte. In seinen Haaren war derart viel Gel, dass sie hart wie Igelborsten wirkten.
    »Gib mir eine Pille.« Machmud sah mich fordernd an.
    »Die sind für den Kunden.«
    »Dein Kunde merkt sowieso nicht, ob da neun oder zehn Pillen drinnen sind.«
    »Ich beliefere doch keine kleinen Kinder, die nicht bis zehn zählen können.«
    »Wenn ein Junkie drauf ist, erkennt der nicht einmal seine eigene Mutter wieder.«
    »Noch ist er aber nicht drauf.«
    »Jetzt sei kein Geizkragen!« Ich schnalzte genervt mit der Zunge und holte eine Pille aus der Tüte. Ich betrachtete sie kurz, sie sah aus wie ein gewöhnliches Medikament – unglaublich, wie so ein winziges Ding eine solche Wirkung entfalten konnte. Ich war kein Fan von Drogenkonsum. Alles, was in meinen Augen schwach war oder machte, wurde ausgespart, und Drogen und Alkohol machten schwach und verwandelten Menschen in demütige, willenlose Zombies. Während Machmud und Mirac auch selbst Kokain und Pillen nahmen, ließ ich die Finger davon. Machmud griff nach der Kapsel und steckte sie sich ohne jede Vorwarnung in den Mund.
    »Bist du schon drauf?«
    »So schnell geht das nicht.« Machmud belächelte mich, als wäre ich eine unerfahrene Jungfer.
    »Bist du abhängig?«
    »Nein, ich habe es unter Kontrolle.«
    »Wozu nimmst du es, wenn du es nicht nehmen musst?« Ich fühlte mich wie ein Kind, das zu viele Fragen stellte. Drogen verkaufen hielt ich für legitim, Drogen nehmen war nicht meine Welt.
    »Sieh dich doch mal um.« Machmud drehte sich im Halbkreis. »Da kann man doch nur Drogen nehmen.« Ein Rentner ging gerade mit seinem ergrauten Rauhaardackel an uns vorbei, auf der anderen Seite stand eine Frau in einem blumengemusterten Kleid und besprühte mit einem Gartenschlauch den frühlingshaften grünen Rasen. Zwei kleine Kinder in Latzhosen glucksten vor Freude, als das Wasser aus dem Schlauch ihre Körper streifte. Es fehlte nur noch der Zeitungsbote auf dem Fahrrad und der Mann in Weiß, der die frische Milch vor die Tür stellte, und das harmonische Bild einer amerikanischen Kleinstadtidylle wäre perfekt gewesen. Die Stadt kam mir an keinem Tag friedlicher vor.
    »So schlimm ist es doch nicht.«
    »Diese Langeweile und diese Langweiler – davon krieg ich das Kotzen!«, regte sich Machmud lauthals auf. Der Rentner drehte sich um und schüttelte den Kopf.
    »Bist du schon drauf?« Ich hatte das Gefühl, der Ausdruck in seinem Gesicht hätte sich verändert.
    »Wusstest du, dass Haliluizugene … Hallozigonene … fuck … naja, egal. Auf jeden Fall waren das die ersten Drogen der Menschen, Pilze, Klebstoff und so ein Scheiß.«
    »Das sind doch alles verschiedene Drogen.«
    »Bist du ein Klugscheißer. Sicher, dass du Palästinenser und nicht Deutscher bist?« Machmud mühte sich ab, nicht auf die Rillen im Asphalt zu treten.
    »Wie fühlt es sich an, drauf zu sein?« Ich beobachtete ihn. Wie ein Frosch sprang er von einem Viereck zum nächsten.
    »Ich kann das nur schwer beschreiben. Es ist, als würdest du fliegen und mit der Welt verschmelzen – du bist das Universum, und das Universum ist du.« Machmud bekam bei seinen eigenen Worten den verschmitzten Gesichtsausdruck eines verliebten Teenagers.
    »Hört sich poetisch an.«
    »Schamanen, große Denker, Philosophen und Schriftsteller schwören auf lsd.«
    »Aha, und warum?«
    »Ich weiß nicht, es ist, als wärst du dem Himmel so nah wie nie zuvor.«
    »Machmud, du bist eindeutig drauf.« Plötzlich blieb er mit zusammengepressten Beinen auf einem Viereck stehen und sah mich verängstigt an.
    »Was ist los?«
    »Die Linien sind so dicht beieinander.«
    »Na und?« Ich blieb stehen und schaute auf meine Uhr – viertel vor vier. In fünfzehn Minuten musste ich da sein, und nichts hasste ich mehr, als zu spät zu kommen. Wenn ich eines von Baba gelernt hatte, dann, dass man nie zu spät zur Arbeit kommen sollte.
    »Ich falle da rein.« Machmud zog die Nase angeekelt hoch und zeigte auf unseren Untergrund.
    »Was?«
    »Durch die Spalten.« Ich betrachtete die schmalen Ritze auf dem Steinboden.
    »Da passt nicht einmal eine Ameise durch.«
    »Wenn ich da reinfalle, lande ich in der Hölle!« Es war sein

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