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Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
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laut, wie er noch nie zuvor gelacht hatte. Nachdem er mich minutenlang ausgelacht hatte und ich die Tortur, wie unzählige Ohrfeigen, über mich ergehen ließ, trank er einen letzten Schluck Tee und stand auf.
    »Wohin gehst du?«
    »Nachrichten gucken.«
    »Baba, ich mache keinen Spaß.«
    »Ich weiß, das ist auch das Lustige daran.«
    »Ich werde Rapper!« Ich schaute ihm entschlossen in die Augen. Er setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf.
    »Denkst du, das ist ein anständiger Beruf – Beleidigungen und Schimpfworte in ein Mikrofon bellen? Damit kann man kein Geld verdienen oder eine Familie ernähren. Nimm dir kein Beispiel an solchen Frevlern. Mach deine Ausbildung zu Ende, staple weiter Gabeln aufeinander – das ist ein anständiger Beruf!« Seine Stimme bebte. Hatte er gerade gesagt, Besteck aufeinanderstapeln sei ein anständiger Beruf?
    »Soll ich mir lieber ein Beispiel nehmen an dir?«, platzte es aus mir heraus.
    »Was soll das heißen?«
    »Baba, sei ehrlich, bist du glücklich mit dem, was du tust?« Mit einer derart persönlichen Frage hatte mein Vater nicht gerechnet, das Gespräch wurde zu emotional und bereitete ihm sichtlich Unbehagen.
    »Ich tue, was das Beste für die Familie ist.«
    »Siehst du – du bist nicht glücklich.«
    »Ich tue, was ich tun muss.«
    »Du musst überhaupt nichts tun, tu doch mal was anderes. Steh doch mal um zehn anstatt um vier Uhr in der Früh auf, guck doch mal eine Komödie anstatt Nachrichten, trink deinen Tee doch mal mit drei Löffeln Zucker anstatt ohne.«
    »Bist du verrückt geworden? Dann wäre der Tee doch versüßt.«
    »Baba, wir können unser Leben selbst gestalten, entweder süß oder bitter.«
    »Um Gottes willen, du klingst wie deine Mutter in den ersten Jahren unserer Ehe! Reiß dich zusammen, sei ein Mann und benimm dich nicht wie ein jämmerliches Waschweib.«
    »Ist es jämmerlich, das zu tun, was man tun will? Jämmerlich ist es, fünfundzwanzig Jahre einen Job zu machen, den man hasst. Jämmerlich ist es, so zu tun, als hätte man keine Träume, als wäre das Leben schon vorbei.« Baba sah mich schockiert an, er konnte nicht fassen, solche Worte aus meinem Mund zu hören.
    »Baba, Pirmasens ist nicht alles, dein Job ist nicht alles, dieses Leben hier ist nicht alles.«
    »Das kann doch nicht dein Ernst sein.« Er schüttelte fassungslos den Kopf.
    »Es ist mein Ernst. Tut mir leid, Baba, aber ich habe nicht vor, so zu werden wie du.«
    Mein Vater schnaubte, er tat mir ein wenig leid. Vielleicht hätte ich das nicht sagen sollen, aber manchmal musste man Menschen an ihrem wunden Punkt treffen, damit sie der Wahrheit endlich ins Gesicht blicken.
    »Du bist eine Schande.« Mein Vater kniff die Lider zusammen, und hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gedacht, glasige Pupillen unter müden Lidern hervorblinzeln zu sehen.
    »Es ist eine Schande, sein Leben wegzuwerfen.«
    »Was soll ich meinen Brüdern und Schwestern sagen? Mein Sohn sieht nicht nur aus wie ein Drogendealer, sondern benimmt sich auch wie einer?«
    »Warum benehme ich mich wie ein Drogendealer?«
    »Du willst Musik für Drogendealer machen.«
    »Baba, ich will Musik für alle machen.«
    »Und wie soll ich das meinen Geschwistern erklären?«
    »Deine Geschwister leben im Libanon.«
    »Na und, das bedeutet doch nicht, dass sie tot sind. Alle werden mich auslachen, sie werden sagen, dein Sohn verdient sein Geld mit Drogendealer-Musik.«
    »Baba, wir leben für uns und nicht für andere. Mir ist es egal, was deine oder Mamas Familie davon halten – die leben Tausende Kilometer entfernt.«
    »Wir leben für uns und für die anderen! Du kannst nicht einfach die Regeln ändern.«
    »Ich werde tun, was ich für richtig halte. Nicht du, nicht Mama, nicht Mamas Geschwister, von denen ich die Hälfte gar nicht kenne, nicht deine Geschwister, mit denen ich noch nie ein Wort gewechselt habe, nicht unsere Nachbarn – niemand außer mir kann wissen, was für mich das Richtige ist. Nur, weil du tust, was andere tun, musst du nicht dasselbe von mir erwarten.«
    »Chalas, es reicht, Wasiem! Schlag dir diesen Müll aus deinem riesigen Dickschädel. Ab morgen suchst du dir eine vernünftige Beschäftigung, hast du mich verstanden?« Baba schlug mit der Faust auf den Tisch, die Gläser fielen um. Normalerweise hätte ich klein beigegeben, mein Hemd ausgezogen und ordentlich gefaltet in den Schrank zurückgelegt. Ich hätte am nächsten Morgen eine Bewerbung geschrieben und würde

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