Matharis Kinder (German Edition)
lockte und sich damit sein eigenes, armseliges Leben erkaufte. Ich weiß es nicht. Wenige Stunden später holten sie mich. Sie brachten mich vor den Kommandanten des Gefängnisses ...“
Der Kommandant war ein kleiner, dicker Mann mit einem roten, pausbäckigen Gesicht. Man sah ihm an, dass er weder gutem Wein noch gutem Essen abgeneigt war. Er empfing seinen Gefangenen mit einem freundlichen Lächeln.
Ohne seinen Gesichtsausdruck zu ändern, sagte er ihm seine wahre Identität auf den Kopf zu. Dann erklärte er ihm, dass er im Laufe dieser Nacht auf alle, wirklich auf alle Fragen eine Antwort erhalten würde. Seine „Spezialisten“ hätten noch jeden zum Reden gebracht. Es läge ganz allein an ihm, ob er es sich nun leicht oder schwer machen wolle...
... Nein! Diese Bilder nicht – nicht diese Bilder! Nicht diese Erinnerungen!
Janaels Stimme wurde spröde. Hastig fuhr er mit seiner Erzählung fort.
„Bis zu Morgengrauen haben sie versucht, mich zum Sprechen zu bringen. Namen wollten sie wissen. Orte. Treffpunkte. Vor allem wollten sie wissen, wo der Sitz der Alten Weisen war ... aber ich habe nichts gesagt … die ganze Na cht lang habe ich nichts gesagt…
Schließlich fürchteten sie, ich würde sterben und brachten mich in ein kleines Verlies. Ich weiß nicht, wie lange ich dort gelegen habe. Ich war mehr ohnmächtig, als bei Bewusstsein. Als mich schließlich eine Hand rüttelte, glaubte ich zuerst, sie wollten mich wieder holen. Doch die Hand hielt mir einen Becher Wasser an die Lippen. Da erst erkannte ich meinen Be gleiter. Als Wandler hatte er mir unerkannt in der Gestalt eines Wächters folgen können. Wie er es fertig brachte, mich aus dem Gefängnis hinaus zu schaffen, weiß ich nicht. Man brachte mich in ein Versteck und versammelte alle nur verfügbaren Heiler, um mich zu retten. Aber ich war mehr tot als lebendig. Meine Wunden begannen, sich zu entzünden und meinen Körper zu vergiften. Schließlich konnte keiner mehr etwas für mich tun.“
Mehr tot als lebendig – ja, das war er auch noch, als er das erste Mal in das Gesicht der Frau geblickt hatte ... aber von ihr, nein, von ihr wollte er niemandem erzählen. Das blieb sein Geheimnis, war allein seine tiefste, kostbarste Erinnerung.
„Viel später erwachte ich aus Ohnmacht und Fieberträumen, an einem Ort, den ich nicht kannte. Die Menschen, die mich aufgenommen und gerettet haben – waren keine Blumenhüter! Ja, ihr habt richtig gehört – ich verdanke mein Leben den ‚Anderen’. Fragt mich nicht, warum sie das getan haben. Nachdem meine Wunden einigermaßen verheilt waren, hatte ich nur noch einen Gedanken: Fort! Fort aus diesem Land! Nie mehr hätte ich den Anblick eines Soldaten ertragen. Und niemals hätte ich ein zweites Verhör durchstehen können, ohne zusammenzubrechen. Ich musste fort, mehr noch als mich selbst musste ich mein Wissen in Sicherheit bringen. So bin ich nach Peona geflohen.“
Janael schwieg. Er hatte seine Geschichte beendet. Es gab nichts mehr hinzuzufügen. Doch, eine Kleinig keit musste noch gesagt werden. Eine überaus wichtige Kleinigkeit:
„Wenn das Gerechte Urteil mich für meine Flucht bestrafen will, werde ich mich dem Urteilsspruch beugen. Ich bitte nur um einen Aufschub. Nicht um meinetwegen, nein, unserer Mission wegen. Meine beiden Gefährten brauchen mich, um den Weg in ihre Heimat zurückzufinden. Erlaubt mir, dass ich sie begleite. Wenn wir unseren Auftrag erfüllt haben, werde ich zurück kommen und auf mich nehmen, was immer ihr befunden habt.“
Nachdem die Stimme des alten Mannes verklungen war, herrschte Stille in der „Höhle der Flüsternden Stimmen“. Nur das Wasser rauschte unbeirrt weiter.
Ob sich die „Flüsternden Stimmen“ außerhalb der Hörweite berieten? Sie brauchten lange, um zu einem Schluss zu kommen.
„Wir haben deine Geschichte vernommen, Janael. Noch immer können wir das Schreckliche nicht fassen. Niemand von uns kann sich solche Grausamkeit vorstellen. Deshalb kennt unser Gesetz keine Antwort auf die Frage, ob du schuldig bist oder nicht. Wir haben darum unser Herz befragen müssen, so wie wir dein Herz befragt haben, Janael. So höre denn unser Urteil.“
Alle Anwesenden hielten den Atem an.
„Bei deiner Flucht hast du die Würde, aber auch die Bürde des Auserwählten abgelegt. Du hast Lopunien verlassen und in Peona neue Heimat gefunden.
So sei uns nun als Gast aus unserem Nachbarland willkommen! Jetzt, wo wir das
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