Matharis Kinder (German Edition)
keinen Fall! Schon die kleinste Abweichung bringt euch in Lebensgefahr.“
Wenige Augenblicke später schlitterten sie in halsbrecherischem Tempo über einem glitschigen Teppich aus tau feuchtem Gras den Abhang hinunter in die kalte, milchige Nebelsuppe hinein.
Mit rudernden Armen rutschte Torian durch das nieselfeuchte Nichts. Die Höllenfahrt schein kein Ende zu nehmen. Wo war Janael? Wo Pariko? Ja, wo denn sonst, wenn nicht dicht vor, neben oder hinter ihm, versuchte er sich einzu reden. Doch weder seine Augen noch seine Ohren konnten ein Zeichen ihrer Nähe einfangen. Für seine Zuversicht gab es ebenso wenig Halt wie für seine Füße.
Er war allein.
Immer weiter rutsche er. Einem namenlosen Abgrund entgegen...
Torians Füße kamen so plötzlich zum Stillstand, dass er beinahe das Gleichgewicht verlor.
„Bleib stehen! Um Himmels willen, bleib stehen!“ Das war Janaels Stimme!
Der darauf folgende Laut kam von einer anderen Seite: ein heiserer Schrei, festgeklemmt in einer vor Entsetzen zusammen gepressten Kehle.
Als Torian den Kopf drehte, stockte sein Atem. Kaum zwei Schritte von sich entfernt erkannte er im Nebeldunst den Umriss des Wandlers.
Er war mindestens um die Länge seiner Unter schenkel kleiner geworden – und wurde zusehends kleiner.
Es dauerte einige Sekunden, bis der junge Blumen hüter begriff, was sich vor seinen Augen abspielte: Sie, die Große Mutter , die Spenderin allen Lebens, war gerade dabei, einen ihrer Söhne bei lebendigem Leib zu verschlingen!
Pariko war in ein Sumpfloch geraten!
Die überstürzte Bewegung, mit der Torian seinem Gefährten zu Hilfe eilen wollte, wurde gerade noch rechtzeitig von Janaels Hand gestoppt.
„Du sollst stehen bleiben, habe ich gesagt! Einen kann ich retten. Zwei nicht. Also bewege dich jetzt keinen Zentimeter mehr von der Stelle, hast du mich verstanden?“
Siedend heiß wurde Torian bewusst, in welcher Gefahr er sich befand: auch er hatte keinen festen Grund unter den Füßen! Er stand auf einer federnden, moosbewachsenen Matte. Im Moment schien sie sein Gewicht zu tragen. Es fragte sich nur, für wie lange...
Torian wagte nicht einmal mehr, den Kopf zu drehen.
Aus dem Augenwinkel beobachtete er Janael, sah wie der alte Mann sich in einem makabren Tanz aus verdrehten Sprüngen einer mannshohen Pflanze näherte. Mit schnellen, sicheren Griffen schlang er dickes Seil um den Stamm. Das Gewächs ähnelte einem Schachtelhalm, hatte jedoch die Größe einer jungen Tanne. - Wo gab es denn so etwas?! - Torian konnte nicht weiter darüber nachdenken. Die Rettung seines inzwischen bis zur Brust eingesunkenen Gefährten nahm seine Aufmerksamkeit gefangen.
Es kostete den alten Mann ordentlich Mühe, den Wandler aus seiner misslichen Lage zu befreien. Mit einem widerlichen Schmatzen gab das Loch ihn schließlich frei.
Nachdem Pariko wieder tragenden Boden unter den Füßen hatte, zeigte sich noch ein weiteres Un glück: Eine seiner Taschen mit den Samen war in dem Loch verloren gegangen!
Janael ließ niemandem Zeit, über den Verlust nachzugrübeln. Er bückte sich und zog behutsam eine niedrige, krummstielige Pflanze aus dem Boden.
„Seht euch dieses wunderbare, kleine Wesen an“, sagte er mit zärtlicher Stimme, „wisst ihr, was das ist?“
Pariko und Torian blickten verständnislos. Die Pflanze, die Janael den beiden entgegen hielt, war ihnen völlig unbekannt.
„Das sind Mathari-Blumen“, erklärte der alte Mann, „unglaublich, nicht wahr? Wir vermuten, dass dies eine ganz alte, noch sehr urtümliche Form ist. Vielleicht ein Abbild der allerersten Blumen, geboren aus den Träumen der Großen Mutter . Wie auch immer - achtet auf sie! Man erkennt sie nur bei genauem Hinsehen. Überall wo sie wachsen, ist der Boden sicher und trägt das Gewicht eines Menschen. Wir nennen dies das Geheimnis der Sicheren Pfade. “
Torian konnte es kaum zu glauben. Diese un scheinbare Pflanze mit solch winzigen Blüten sollte eine Mathari-Blume sein? Zögernd streckte er die Hand aus. Als sein Zeigefinger über die feuchte Oberfläche der kleinen, fleischigen Blätter strich, wuchs aus der Verwunderung ehrfürchtiges Staunen. Was Torians Augen nicht zu sehen vermocht hatten, erkannten seine Finger ohne den leisesten Hauch eines Zweifels: Das war eine Mathari-Blume.
Selbst ein Kind der Blumenhüter konnte die Blumen der Großen Mutter mit geschlossenen Augen erkennen.
Es war nicht schwierig, während des Gehens Matharis
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