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Matharis Kinder (German Edition)

Matharis Kinder (German Edition)

Titel: Matharis Kinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernadette Reichmuth
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Sumpfblumen auszumachen. Die Pflänzchen schmiegten sich in das vielfältige Grün von Gräsern, Moosen und Flechten. Wie kleine, goldene Sonnen leuchteten sie darin. Ebenso unübersehbar waren ihre schneeflockengroßen Samenkapseln. 
    Nach wenigen Schritten sah sich der junge Blumen hüter in einen  heillosen Zwiespalt verstrickt: Schon als Kind hatte er gelernt, alle Blumen zu ehren, sie zu beschützen, wo immer es möglich war. Auf eine Mathari-Blume zu treten, wäre ihm nicht einmal in seinen wüstesten Träumen in den Sinn gekommen.
    Verzeiht mir! Bitte verzeiht mir, flüsterte Torian jedes Mal, wenn er seinen Fuß auf den federnden Boden setzte.
    Natürlich verziehen sie ihm, daran bestand kein Zweifel. Dennoch schauderte es ihn über diesen Ort, wo ein Blumenhüter auf Mathari-Blumen treten musste, um zu überleben.
    Plötzlich schlug ihm etwas fla tternd und sirrend ins Gesicht – krabbelnde Beine blieben kurz an seinen Haaren hängen … schon war der Spuk im Nebel verschwunden.
    Torian schrie auf. Um ein Haar wäre er gestrauchelt. Dieses Ding – ein Insekt! – war größer gewesen, als eine Fleder maus! Viel grösser!
    Der Schreckensruf des jungen Blumenhüters hatte den kleinen Zug zum Stillstand gebracht.               
    „Da ... da war ein ... ein riesiges...“, stammelte er.
    Gelassen tönte Janaels Stimme aus dem Nebel: „Das wird eine Riesenlibelle gewesen sein. Keine Angst, die sind harmlos. Bei den Vielfußläufern muss man schon etwas mehr auf passen. Die können beißen, das tut ziemlich weh. Aber solange keiner von uns barfuß läuft ...“
    „Vielfußläufer?“ echote Torian verwirrt. 
    „Ja, so werden sie genannt. Eine Art Tausendfüßler. Nur größer. Wie eben alles hier.“
    Mit aufgerissenen Augen starrte Torian zuerst auf seine Füße, dann in das feuchtweiße Nichts. Er wagte nicht mehr einen einzigen Schritt in welche Richtung auch immer zu gehen. Wo, um alles in der Welt war er hier gelandet? Was war das für ein Ort, an dem Insekten die Größe von Raben erreichten, Tausend füßler bissen und wahrscheinlich so dick wie Baumstämme waren? 
    Wenn das Entsetzen eines Menschen das Fassungs vermögen seines Bewusstseins übersteigt, zieht sich dieses meist in einen möglichst abgelegenen Winkel zurück. Im günstigen Fall konzentriert es sich von dort aus auf die unmittelbar notwendigen, lebenserhaltenden Funktionen. Wie atmen zum Beispiel. Oder weiter marschieren ... und darauf achten, dass die Schritte genau in der richtigen Spur bleiben ... nein ... nicht ... denken ... einfach ... weiter ... marschieren...
    Im undurchsichtigen Nirgendwo verschwamm das Tages licht zu milchiger Zeitlosigkeit.
    Nach Stunden, die keiner der drei Reisenden zu zählen imstande war, begann der Nebel sich zu lichten. Jetzt erst enthüllte das Zwielicht des ver blassenden Tages die unheimliche Fremdheit dieses Gebietes. Nicht ein einziger der aus dem wild wuchernden Dickicht aufstrebenden Bäume hatte eine vertraute Gestalt – falls eine Pflanze, die hoch über ihren Häuptern ihre riesigen Farnwedel ausbreitete, überhaupt als Baum gelten konnte. Das Gewächs, mit dessen Hilfe Janael den versinkenden Pariko gerettet hatte, war tatsächlich ein Schachtelhalm gewesen.
    Durch Torians Kopf galoppierten die Gedanken, als ob darin eine Herde wilder Pferde aufgescheucht worden wäre. Waren er und seine Gefährten, ohne es zu merken, zu Winzlingen geschrumpft, für die schon eine gewöhnliche Wiese zu einem gefährlichen Urwald wurde? Oder hatte die Große Mutter hier alle Gesetze von Größe und Kleinheit vergessen? Gütiger Himmel, wie groß waren dann wohl die Tiere, denen Libellen und Tausendfüßler als Nahrung dienten?
    Hastig zog sich Torians Bewusstsein in seinen Winkel zurück. Er senkte die Augen und suchte abermals nach den tröstlich vertrauten Sonnensternchen der Mathari-Blumen. In rührender Tapferkeit versuchten sie, einen Ausgleich zu schaffen an diesem Ort, wo sich die Größenverhältnisse auf so wahnwitzige Weise verschoben hatten.
    Selbst unter günstigsten Bedingungen war es unmöglich, die Sambalko-Sümpfe an einem einzigen Tag zu durchqueren. Bald begann die herein brechende Dämmerung das Leuchten der Mathari-Blumen zu verschlingen. An ein Weiterkommen war nicht mehr zu denken.   
    Janael hatte schnell einen Platz zum Übernachten gefunden. 
    Das Wurzelwerk eines Bärlapp-“Baumes“ bot genügend Sicherheit, um den Tagesanbruch abzuwarten. Eng an den Stamm

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