Matharis Kinder (German Edition)
Janael, der über alle Grenzen hinaus geprüfte Letzte Auserwählte , konnte sie aussprechen.
„Du, mein Freund, wirst nicht werden wie jene. Voraus gesetzt, du sperrst deinen Schmerz nicht aus deinem Bewusstsein. Wenn du ihm den einzig möglichen Platz gibst, der ihm gebührt, mitten in deinem Herzen, wird er sich wandeln zu Kraft, Weisheit und Mitgefühl.“
Jetzt erst hob Pariko den Kopf und sah dem alten Mann ins Gesicht.
„Verstehe ich das richtig?“ fragte er zögernd. „Du hast mir also weiterhin vertraut? Obwohl du Bescheid über mich wusstest?“
Janael nickte.
„Natürlich habe ich das. Warum hätte ich es nicht tun sollen?“
Das Gesicht des Wandlers zeigte einen un definierbaren Ausdruck.
„Na ja, eine nennenswerte andere Wahl hattest du ja auch nicht“, brummte er in einem Anflug grimmigen Humors.
Dann wandte er sich zu Torian: „Und was ist mit dir, Kleiner? Für dich wird das ganze ja ziemlich überraschend sein, denke ich. Ich kann nicht erwarten, dass du mich nun besser leiden kannst. Aber auch du wirst mir weiterhin vertrauen müssen, wenn du mit heiler Haut wieder nach Hause kommen willst.“
Von seinem jungen Gefährten erwartete er keine Antwort. Stattdessen ging er zur Tür. Bevor er den Raum verließ, drehte er sich noch einmal um.
„Ihr werdet sicher verstehen, dass ich noch ein Weilchen allein sein möchte. Wartet nicht auf mich mit dem Schlafengehen. Morgen werden wir sehr früh aufbrechen müssen.“
Torians Glieder waren vor Müdigkeit schwer wie verregnetes Heu. Trotzdem fand er lange keinen Schlaf.
Nein, er konnte Pariko nicht besser leiden – jedoch besser verstehen.
Torian war längst nicht mehr der unschuldige, von keiner Finsternis berührte Blumenhüterjunge. Er war es nie gewesen, nicht einmal als Kind. Oh ja, auch er kannte den Schmerz der Ohnmacht, die Verletzungen, gegen die er sich nicht hatte wehren können! Nicht einmal seine Eltern hatten ihn zu beschützen vermocht. An dem Stillen Heiligen Ort gab es zwar keine neuen Verletzungen. Dafür zerbrach Torian beinahe an seinem Heimweh.
Nur zu gut erinnerte er sich an jene Augenblicke, in denen das blutrote Tier des Hasses vor der Türe seines Herzens gelauert und mit schmeichelnder Stimme und einem ebenso verlockenden wie trügerischen Versprechen Einlass gefordert hatte. Lass mich ein, und ich werde dafür sorgen, dass du alle Schmerzen vergisst. Du wirst nie mehr fühlen, wie es ist, zu leiden...
Das instinktive Wissen, dass er mit der Ver leugnung seines Schmerzes auch die Fähigkeit zu lieben geopfert hätte, hatte Torian davor bewahrt, dieser Verlockung nachzugeben.
Die Erkenntnis machte ihn nicht stolz, nur dankbar.
Noch vor Tagesanbruch machten sich die drei Blumen hüter auf den Weg.
Moyna stellte sich auf die Zehenspitzen, als sie Torian eine Tasche mit Proviant an die Schulter hängte und drückte ihn kurz an sich.
Barnar befahl dem Hund, die drei Reisenden zu begleiten, bis sie die sichere Tiefe des nächsten Waldes erreicht hatten.
Keiner von ihnen blickte zurück, als sie hinaus traten in die Dunkelheit.
ACHT
Peona! Wie ein geflügelter Bote flog Torians Sehnsucht seinen Schritten voraus. Bald würde er wieder zu Hause sein, würde wieder die heimatliche Erde unter seinen Füßen spüren! Dann wollte nur noch eines: sich für den Rest seiner Tage an der Schönheit seiner Heimat erfreuen.
Vor seinen Augen stiegen die Bilder vertrauter, saftig grüner, sanft hügeliger Landschaften auf. Seen, in deren klaren Spiegeln Sonne, Wolken und die Gestirne der Nacht mit sich selbst Zwiesprache hielten. Flüsse, die als funkelnde Lebensadern die Täler durchzogen. Dunkelschattige, kühle Wälder. Die Erinnerung an Peona trug ihn, als wäre sie zu Flügeln an seinen Füssen geworden.
Zwei Stunden nach Aufbruch ordnete Janael eine Pause an.
„Ich habe mir schon längere Zeit Gedanken über unsere Rückkehr gemacht,“ erklärte er seinen beiden Gefährten, „in dieses Land hinein zu kommen, ist mit etwas Glück – und der Hilfe eines Wandlers – verhältnismäßig leicht. Unbemerkt wieder heraus zu kommen gelingt wahrscheinlich nicht einmal einem Eichhörnchen. Und wie wir mit unseren Samentaschen es anstellen sollen, die Grenzwachen zu überlisten, weißt wohl nicht einmal du, mein Freund.“
Das Wort „Freund“ verlieh Parikos Gesichts muskeln immer noch ein merkwürdiges Eigenleben.
„Käme vielleicht auf einen Versuch an“, brummte
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