Mathilda, Mathilda! - Drei wie Zimt und Zucker: Band 3 (German Edition)
Dort ist der Rasen stets kürzer als die Frisur eines Bundeswehrsoldaten und das Unkraut wird vernichtet, sobald es wagt, aus den Beeten zu sprießen. Also, das genaue Gegenteil zu unserem wild-verwunschenen Garten. Sonst fand ich das bei den Perfektos immer komisch. Aber im Moment konnte ich kein bisschen darüber grinsen. Dazu fehlte mir die Kraft. Noch nie war ich so mit Linn aneinander geraten. Hatte ich nun wirklich eine Freundin weniger? Meinte sie es ernst?
Auf einmal fühlte ich mich schrecklich erschöpft. Ich schlich in mein Zimmer hinauf, froh, dass Mama kurz vor dem Abgabetermin für eine Übersetzung steckte und keine Fragen stellte. Und dann holte mich die Verzweiflung ein, wie eine große Welle überrollte sie mich. Schluchzend fiel ich in mein Bett und heulte wie selten zuvor. Danach musste ich unbedingt mit einer Freundin sprechen. Doch mit welcher?
Sirenenheulen und Frisbeepizza
A m nächsten Morgen graute es mir vor der Begegnung mit meinen Freundinnen. Falls sie das noch waren … Bestimmt hat Linn mich bei Philippa angeschwärzt, dachte ich und hätte mich am liebsten für den Rest des Tages (oder vielleicht gleich für den Rest des Jahres) in meinem Bett verkrochen. So ein bisschen flau fühlte ich mich ohnehin schon. Aber damit würde ich bei meiner Mutter nie durchkommen, das wusste ich genau.
Zumindest zögerte ich unser Zusammentreffen so lange wie möglich hinaus, indem ich viel später als meine kleine Schwester und in letzter Minute zur Bushaltestelle rannte. Was würde Philippa dazu sagen, dass ich gestern nicht geschaut hatte, ob sie Hilfe brauchte? Oder würde sie erst gar nicht mehr mit mir sprechen? Und Linn erst … Die Gedanken setzten mir zu wie ein Schwarm hungriger Piranhas, bis ich an die Landstraße kam. Auf der anderen Straßenseite lag das Bushäuschen, das die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos kurz in Licht tauchten.
Aber was war das? Ich stutzte. Darin stand nur eine einzige Person. In meinen Leggins, verflixt noch mal, das sah ich schon von Weitem. Meine kleine Schwester hatte sich mal wieder heimlich in meinem Schrank bedient! (Wenn das so weiterging, brauchte ich so langsam wirklich ein Vorhängeschloss.)
Aber – und das war viel, viel wichtiger – wo blieben nur Linn und Philippa? (Nur für Mats und Vivienne, die eine Klasse über mir waren, fing die Schule mittwochs immer erst um neun Uhr an. Die hatten es gut.) Doch unsere Klasse hatte heute ganz normal Unterricht, die erste Stunde fiel nicht aus. Der Schulbus kam und fuhr ohne die beiden los. Das war seltsam. Denn seit ich sie kannte, hatten sie noch nie den Bus verpasst. Das musste einen Grund haben.
Auf einmal machte ich mir Sorgen. Hatte etwa Philippa gestern in dem Krankenwagen gelegen? Vielleicht hatte Brutus, ihr zahmer Bulle, vergessen, dass er zahm war, und sie angegriffen? Oder war sie beim Reiten schlimm gestürzt? Was war nur los?
Linn lag mit Fieber im Bett, das hatte Pauline gehört. Was mit Philippa war, wusste niemand. Sie stürmte erst während der zweiten Stunde mitten in den Unterricht und sah so aus, als käme sie geradewegs aus dem Stall. So roch Philippa auch, um ehrlich zu sein. Zum Glück trug sie keine Gartencloggs, sondern normale Schuhe, aber eines ihrer Ponys musste sich die Nüstern an ihrem Mantel abgerieben haben und an ihrem Mantelärmel hing ein Strohhalm. So unordentlich war Philippa noch nie zur Schule gekommen. Etwas Schlimmes musste passiert sein. Nur was?
Vorne am Lehrerpult flüsterte sie der Robbe (so nennt die halbe Schule unseren Klassenlehrer, Herrn Sägmeier, der mit seinem Schnurrbart und seiner Figur wirklich wie eine Robbe aussieht) eine Entschuldigung ins Ohr, dann ließ sie sich auf ihren Platz neben mir fallen.
»Was ist passiert?«, flüsterte ich, kaum dass sie saß.
»Meine Mutter musste gestern plötzlich ins Krankenhaus, sie hat einen Bandscheibenvorfall und …« Leider hörte ich den Rest nicht mehr, denn unser Klassenlehrer knallte das Klassenbuch zwischen uns beiden auf den Tisch. »Das hat Zeit bis zur Pause«, verkündete Herr Sägmeier.
›Geht’s noch?‹, hätte ich ihm am liebsten ins Gesicht geschrien. So wütend war ich über die Unterbrechung. Wieso verstehen die Lehrer nie, dass hin und wieder mal andere Dinge wichtiger sind als irgendwelche Grammatikregeln. Und weil uns die Robbe den Rest der Stunde im Auge behielt, musste das Wichtigste tatsächlich bis zur Regenpause warten.
Scott kam gleich zu uns herüber und auch Julia
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