Mathilda, Mathilda! - Drei wie Zimt und Zucker: Band 3 (German Edition)
hätte sich fast zu uns gesetzt, aber sie schnupperte kurz und setzte sich lieber auf die Fensterbank. Der intensive Stallgeruch, der Philippa umgab wie eine unsichtbare Decke, war einfach zu viel für sie.
Mir war es wirklich peinlich, dass Philippa so stank. Hoffentlich kam ihre Mutter bald wieder zurück. »Philippa, wie lange muss deine Mutter denn im Krankenhaus bleiben?«, fragte ich, während ich mein Butterbrot aus der Dose holte und abbiss.
Philippa neben mir holte kein Pausenbrot heraus. »Das kann uns leider noch niemand sagen. Im schlimmsten Fall kann es länger als einen Monat dauern.« Sie zuckte traurig die Schultern. Auf einmal sah sie ganz verloren aus. Gar nicht wie die praktische Philippa, die sonst immer weiß, wie alles gemacht werden muss. Bestimmt vermisste sie ihre Mutter. So sehr Mama mir manchmal auf den Nerv ging – so ganz ohne Mutter ging es doch nicht. Falls ihre Mutter noch länger im Krankenhaus bleiben müsste, so überlegte ich mit einem Schaudern, würde sie vielleicht nicht zu Weihnachten zu Hause sein. Das war eine gruselige Vorstellung. Wie sollte Philippas Vater das Wohnzimmer schön weihnachtlich schmücken? Ich konnte ihn mir höchstens mit Werkzeug in den Händen vorstellen, aber nicht mit winzigem und zerbrechlichem Tannenbaumschmuck. Aber das konnte ich Philippa doch nicht sagen.
»Oh Mann!« Scott blickte sie mitfühlend an. »Das tut mir ja echt leid.«
Aber ich fand, Philippa brauchte jetzt etwas Aufmunterung. »Ach, du wirst sehen, das wird schon wieder«, rief ich so überzeugend wie möglich. So etwas in der Art sagte man doch, wenn jemand krank war, oder?
Doch bei Philippa schien es nicht besonders zu wirken. Sie sah so traurig aus wie zuvor – und noch etwas fiel mir auf. Sie blickte auf mein Pausenbrot. Ausgerechnet, als ich den letzten Bissen in den Mund steckte. Ob sie etwa Hunger hatte? Der Bissen blieb mir fast im Hals stecken. »Philippa, hast du nichts zu essen mit?« Meine Stimme war nur ein raues Flüstern und mein Gewissen nagte an mir, wie Einstein, der Hund der Quentins, an seinem Kauknochen.
»Nein«, gestand Philippa. »Erst war ich heute früh mit meinem Vater zum Füttern im Stall, dann ist Brutus noch aus der Weide ausgebrochen und schließlich habe ich es nicht mehr geschafft, zu frühstücken oder mir ein Pausenbrot zu schmieren. Das macht sonst alles meine Mutter und ich …«
Scott stand rasch auf und reichte ihr wortlos seine Pausenbrotdose herüber.
»Danke«, murmelte Philippa mit gesenktem Kopf und ich glaube, es war ihr zuerst peinlich, die Gabe anzunehmen. Aber schließlich klappte sie die Pausenbrotdose auf, nahm ein Sandwich heraus und gestand seufzend: »Ich weiß überhaupt nicht, wie meine Mutter das alles schafft. Überall ist so viel zu tun, in den Ställen, im Büro, der ganze Haushalt und das Kochen. Das ist mehr, als in einen Tag passt.« Sie ließ das unangebissene Sandwich sinken und schüttelte erschöpft den Kopf.
»Mmmmh«, machte ich und legte tröstend den Arm um Philippas Schultern, während ich so sehr hoffte, dass ihr Stallgeruch nicht an meinen Anziehsachen hängen bleiben würde. Denn heute, gleich nach der Schule, fand das Weihnachtsbacken mit Julia und ihrem Gefolge statt. Doch konnte ich da überhaupt hingehen? Jetzt, wo Philippa dringend eine Freundin brauchte und Linn krank war? Aber, wenn ich im Club der Angesagten bleiben wollte, durfte ich beim Backen auf keinen Fall fehlen. Was sollte ich jetzt machen? Plötzlich fiel es mir ein: Beides, ganz einfach! Erst zum Backen und danach zu Philippa. Das war alles nur eine Frage der Organisation, das sagte Mama auch immer.
So war es schon ziemlich spät, als ich zum Krone-Hof lief. Schon von Weitem hörte ich eine Alarmsirene schrillen. Woher kam das? Aus dem Stall, der Scheune oder dem Haus? Ich blieb im Dunkeln stehen, um zu horchen. Das Sirenenheulen kam aus dem Bauernhaus, ganz eindeutig. Ob dort Einbrecher waren? Ich wusste bislang gar nicht, dass Philippas Familie eine Alarmanlage im Haus hatte. Meine Hand tastete nach dem Handy in meiner Jackentasche. Sollte ich lieber die Polizei rufen? Aber dann stutzte ich. Plötzlich wurde Licht in der Küche angeschaltet und kurz darauf wurden die beiden Fensterflügel mit einem Knall aufgestoßen. Schemenhaft erkannte ich Philippa, die inmitten von Rauchwolken durch die Küche der Krones rannte und wild mit einem Handtuch wedelte. Oh nein, es durchzuckte mich wie ein Blitz. Es brannte im Bauernhaus! Philippa
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