Mathilda, Mathilda! - Drei wie Zimt und Zucker: Band 3 (German Edition)
nicht angerufen.
Philippa nickte stumm, während sie die dünne Jacke fröstelnd mit beiden Händen über der Brust zuhielt. Eines wusste ich genau: So konnte sie auf keinen Fall zur Schule gehen und auch nicht länger vor unserer Haustür stehen. »Komm schnell rein«, rief ich und zog meine Freundin ins Warme. »Sag, wie kann ich dir helfen?«
Philippa sah angestrengt auf den Fußboden und jedes Wort schien ihr schwer zu fallen, als sie fragte: »Mathilda, hast du noch eine Winterjacke, die du mir ausleihen könntest?« Ihre Stimme klang so erschöpft, wie ich sie noch nie gehört hatte, und sie sah so furchtbar verloren aus. Das machte mir wirklich Angst.
»Es ist nur«, fuhr Philippa müde fort und ihre Stimme zitterte, »ich – ich habe gestern meinen Wintermantel zusammen mit einigen Pullovern in der Waschmaschine gewaschen, heiß, damit es schön sauber wird, aber alles ist auf Kindergartengröße geschrumpft.« Philippa senkte den Kopf und kämpfte mit den Tränen.
Oh, oh, dachte ich. Das mit der Wäsche war natürlich nicht so gut. Aber woher sollte Philippa auch wissen, wie man die Waschmaschine richtig einstellt? Immerhin waren wir erst 12 ¾ Jahre alt. Auf alle Fälle würde ich sie trösten. »Geschrumpft, na und?!«, sagte ich munter. »Vielleicht passt es ja jetzt Cara oder Emmi?« Das waren die beiden kleinen Schwestern von Mats und Linn, fünf und nicht ganz sieben Jahre alt, die so ziemlich alles toll fanden, was wir Großen hatten oder machten. »Auf jeden Fall werden sich die Kleinen darum reißen, deinen Mantel tragen zu dürfen!«
Philippa nickte, sah aber immer noch völlig verzweifelt aus. Ich musste ihr helfen. Nur wie? Mein Blick fiel auf meine neueste Steppweste, die an der Garderobe hing. Mama hatte sie günstig bei ebay ersteigert, sie war erst gestern angekommen und ich hatte sie noch gar nicht getragen. »Philippa, sieh mal, ich habe was für dich …« Ich zögerte wirklich keine Sekunde, nahm meine Steppweste von der Garderobe und drückte sie Philippa in die Hand. »Die könntest du ganz lässig über deiner dünnen Jacke tragen und, Moment, dazu kombinierst du noch …« Ich zog unsere Kommodenschublade auf und wühlte mich durch lauter verschiedene Schals, Tücher und Mützen, die darin wild durcheinanderliegen, bis ich einen langen Strickschal herausfischte. »Der hier müsste farblich richtig gut zu deiner Jacke passen«, rief ich begeistert und drehte mich zu Philippa um. Aber sie stand immer noch da und hielt meine Steppweste unentschlossen in der Hand.
»Was ist?«, rief ich verwundert. »Los, zieh die Weste schon an!«
»Mathilda, nein, das geht nicht«, stammelte Philippa. »Du hast sie doch gerade erst neu be … «
»Na und?«, fiel ich Philippa ins Wort. »Sie wird super zu deinen blonden Haaren aussehen. Los, mach schon!« Ich stellte mich mit der Weste hinter meine Freundin, so dass sie nur noch mit den Armen hineinschlüpfen musste – und ja, sie passte ihr ganz wunderbar. Schnell zupfte ich für Philippa den Kragen der Weste zurecht und dann schlang ich ihr mehrmals den langen Schal um ihren Hals, dessen Farbe wirklich genau zu ihrer dünnen Jacke passte.
Philippa schaute in unseren Flurspiegel und ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht. Es ging ihr ein bisschen besser. Das zeigte doch, dass ich eine super Freundin bin, oder? Mein schlechtes Gewissen rollte sich friedlich schnurrend zusammen und gab endlich Ruhe.
Und es kam noch besser: Als wir in unsere Klasse kamen, sprang Julia auf und rief: »Oh my gosh, Philippa, dieses Styling ist absolut der Hit! Das solltest du öfter tragen.«
Philippa deutete gleich auf mich. »Das habe nicht ich, sondern Mathilda so zusammengestellt.«
»Ja, natürlich«, sagte Julia und dann haben wir beide unsere Stylingideen ausgetauscht. Nur wir beide, ohne ihr Gefolge. Julia fand meine Ideen wirklich toll und meinte sogar, man merkt einfach, dass ich ein echter Trendsetter bin. Ach, in dem Moment hätte ich die ganze Welt umarmen können!
Nur irgendwie habe ich darüber ganz verpasst, Philippa zu fragen, ob sie zu Hause noch Hilfe braucht. Und später, im Schulbus, stand Vivienne neben uns – und wenn es jemanden nichts anging, was bei Philippa zurzeit los war, dann Miss Perfekto. Deshalb habe ich da auch nichts gesagt, aber dran gedacht habe ich schon.
Als Philippa und ich uns vor unserem Haus verabschiedeten, sagte sie leise: »Danke, dass du mir deine neue Weste leihst, Mathilda.«
»Aber klar doch«,
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