Mathilda, Mathilda! - Drei wie Zimt und Zucker: Band 3 (German Edition)
angesehen haben, als sie mich erwarteten? Waren sie damals noch glücklich miteinander gewesen? Das wusste ich gar nicht. Und würde Papa jetzt bald Stephanie auch so ansehen? Oft konnte er das bestimmt nicht, wo er in Hongkong und Stephanie in Frankfurt war. Ich hörte nicht mehr genau zu und spielte mit den Krümeln auf meinem Teller, schob sie in der Mitte zusammen, bis Philippa interessiert fragte: »Habt ihr denn schon einen Namen für das Baby ausgesucht?«
Linn blickte auf. Angespannt, so, wie sie immer in Mathe guckt, wenn sie die Antwort nicht weiß. Aber warum sah sie bei so etwas Harmlosem wie einem Babynamen nur so erschrocken aus?
Auf der anderen Tischseite hob Mats das Kinn. Er wirkte mit einem Mal sehr entschlossen. »Ach, das interessiert doch niemanden«, winkte er knapp ab. Es kam mir so vor, als ob er am liebsten aufgesprungen und weggelaufen wäre. Aber das ging nicht. Mats saß fest, beziehungsweise mitten auf der Bank, zwischen seinem Vater und Emmi.
»Moment mal!«, die Stimme seiner Mutter klang energisch. »Ich finde es sehr schön, dass Philippa wissen möchte, wie unser Baby heißen soll.« Sie lächelte Philippa zu und blickte dann mich an. »Nun, ihr beide, dazu müsst ihr wissen, dass bei uns die Vornamen aller Kinder etwas gemeinsam haben.«
Sofort fiel mir etwas auf. »Stimmt«, rutschte es mir heraus, »die Abfolge Mats, Linn, Emmi, Cara verrät, dass sie dem Alter nach rückwärts dem Alphabet folgen.«
Mats’ Mutter rief überrascht: »Das ist ja wirklich interessant. So habe ich das ja noch nie gesehen. Tolle Beobachtungsgabe, Mathilda.«
Gut, dachte ich, ist das Thema jetzt damit erledigt? Das war doch völlig harmlos. Wo bitteschön, war dann das Problem? Warum sahen Mats und Linn immer noch ziemlich angespannt aus?
»Doch für uns zählen zwei andere Gemeinsamkeiten«, fing Frau Quentin an.
»Mama!«, stöhnten Linn und Mats gleichzeitig. Frau Quentin drückte sich beide Hände in den Rücken und streckte sich. »Stellt euch doch nicht so an, ihr zwei«, erklärte sie gutgelaunt, um an Philippa und mich gewandt hinzuzufügen: »Es ist so: Jedes unserer Kinder hat einen Vornamen, der vier Buchstaben hat und …« Sie errötete leicht und sprach nicht weiter.
Mats sprang in der Bank auf. »Reicht das jetzt?!« Seine Stimme klang wie ein Felsen, schroff und polternd.
»Jetzt sei doch mal nicht so verklemmt und setz dich«, rief Herr Quentin und stützte sich gemütlich auf den Tisch, als ob er eine längere Geschichte erzählen wollte. Er nickte uns zu, während Mats rot anlief und die Zähne so fest aufeinanderbiss, dass seine Kinnknochen hervortraten.
»Ich sag’s«, rief Frau Quentin hastig. »Es ist in unserer Familie Brauch, dass der Vorname jedes Kindes zu einem bestimmten Land passen muss.«
»Das reicht!« Mats warf seinen Eltern einen Blick zu, der ziemlich deutlich sagte, dass er kein Wort mehr zu diesem Thema hören wollte. Vielleicht war es das, was seinen Vater erst so richtig in Fahrt brachte.
»Ganz und gar nicht«, warf Herr Quentin leicht aufgekratzt ein. »Seht ihr, das ist so: Mats hat einen schwedischen Namen, weil er neun Monate nach unseren Ferien in Schweden zur Welt kam. Linn haben wir aus Dänemark ›mitgebracht‹, Emmi aus England und Cara aus Italien.«
Philippa nickte wissend: »Jetzt verstehe ich. Da ihr im letzten Sommer in Frankreich wart, bekommt das Baby einen französischen Namen mit vier Buchstaben. Richtig?«
Mats’ Eltern nickten strahlend, er aber sprang so heftig in der Bank auf, dass der Kakaokrug umkippte und auf den Boden fiel, wo er zerbrach. »Geht’s noch?«, schrie Mats, während er sich an Emmi vorbeidrängte. »Ihr seid peinlich, alle beide, so was von peinlich. Aber das merkt ihr ja nicht einmal!«, schrie er seinen Eltern zu. Er riss die Haustür auf, sprang in seine Winterstiefel und rannte, ohne sie zuzuschnüren, nach draußen.
»Genau, ihr seid einfach nur peinlich«, fuhr auch Linn ihre Eltern an, bevor sie zur Leiter rannte und wild schluchzend ins Matratzenlager hinaufkletterte. Das letzte, was ich hörte, war Cara, die energisch verkündete: »Ich will trotzdem lieber ein Pony!« Dann hatte ich meine Winterjacke und meine Stiefel angezogen und lief nach draußen.
Zuerst sah ich kaum etwas, weil die Sonne mich so blendete, aber dann hörte ich ein Hämmern. Das kam vom Holzschuppen. Mats stand mit der Stirn an den Holzschuppen gelehnt und schlug mit einer Hand gegen die Wand. Dumpf, immer schneller
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