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Mathilda Savitch - Roman

Mathilda Savitch - Roman

Titel: Mathilda Savitch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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müsste es jetzt sein. Das ist die einzige Zahlenfolge, mit der sich noch rechnen lässt. Selbst wenn die Toten außerirdisch älterwerden, auf Erden ist Schluss, wo Schluss war. Punkt, Ende der Geschichte. Auf Erden wird sie immer sechzehn sein.

    Liebe Helene, Sonntag passt mir gut, nach 4. Ich habe was für dich, du wirst lachen, wenn du es siehst. Arbeite gerade an einem neuen Song und könnte deine Hilfe gebrauchen, alles ziemliche Scheiße uffffffff. Melde dich wegen Sonntag. Küsschen, Louis
    Helene hatte die tollsten Verstecke für ihre Briefe und E-Mails. Ich habe die von Louis erst vor ein paar Monaten gefunden. Die meisten steckten zusammengefaltet in einem Geheimfach im Bauch eines Plüschbären. Ich glaube, ich bin die Einzige, die sie je gesehen hat. Nicht einmal die Polizei hat sie bemerkt, als der ganze Trupp hier anrückte, um Hs Zimmer zu durchwühlen, als wäre
sie
die Verbrecherin.
    Ich hebe die Briefe jetzt im Keller auf, das ist gewissermaßen Niemandsland, seit Helene tot ist. Ma und Pa gehen nicht mehr runter. Im Keller hat sie singen geübt, wenn sie ungestört sein wollte. Manchmal, wenn sie laut sang und wir in der Küche waren, kam ihre Stimme direkt durch den Fußboden.
    Ich nehme an, sie hat mit Louis gesungen. Das bricht einem richtig das Herz, wenn man zu viel darüber nachdenkt. Was ich nicht tue!

    Ich habe ungefähr eine Stunde lang versucht, Anna anzurufen, aber niemand meldet sich. Ich wollte sie fragen, was ich heute Abend ins Theater anziehen soll. Am Ende habe ich einfach Kevin Ryder angerufen, weil ich es nicht mehr aushielt, ohne jemanden anzurufen. Irgendwie hatte ich Herzklopfen. Die Liebesbriefe zu lesen, bringt mich immer in eine seltsame Stimmung.
    Kevin und ich hatten uns nicht viel zu sagen. Ich fragte ihn, ob er sein Haar noch habe.
    «Was meinst du?», sagte er.
    «Das Blau», sagte ich.
    «Ja», sagte er, «es bleibt», und ich fragte ihn, ob seine Mutter in Ohnmacht gefallen sei.
    «So gut wie», sagte er.
    Wir mussten beide ein bisschen lachen, das war nett.
    «Ich glaube, ich sollte auch etwas mit meinen Haaren machen», sage ich.
    «Vielleicht eine andere Farbe», sage ich, ob er mir nicht einen guten Haarfärber empfehlen könne?
    «Das kannst du selber machen», meint er.
    Ich frage, ob er es mir vielleicht zeigen würde, wie es geht, und er sagt: «Klar.»
    «Das sind aber Chemikalien», sagt er.
    «Ich habe keine Angst vor Chemikalien», sage ich.
    «Nimm nicht Blau», sagt er.
    «Nein», sage ich, «das täte ich nie. Das ist deine Farbe.»
    Manchmal weiß ich genau, was andere hören wollen.
    «Blau steht mir sowieso nicht», sage ich.
    «Nimm doch Schwarz», sagt er.
    Schwarz. Schon bei dem Wort läuft es mir den Rücken runter.
    «Ich werd’s mir noch mal überlegen», sage ich.
    Damit ist das Gespräch so ungefähr zu Ende.
    «Ich muss weg», sage ich.
    Ich erzähle ihm nicht, dass ich mit meinen Eltern ins Theater gehe. Er soll nichts Falsches von mir denken. Als wäre ich so ein Baby, das sich fürchtet, allein im Haus zu bleiben.
    Er soll denken, ich bin das Mädchen mit den schwarzen Haaren,obwohl das nicht unbedingt die Farbe ist, die mir vorschwebt. Eher schon Rot. Aber wenn ich Rot nähme, würde ich wahrscheinlich vom Blitz erschlagen. Die Wächter wären womöglich nicht sonderlich erfreut. Aber wer weiß, vielleicht wären sie ja auch begeistert. Jedenfalls würden sie es bemerken, darauf können Sie Gift nehmen.
Schaut an, das kleine Fräulein Rotschopf, auf die sollten wir ein Auge haben
. Ich höre sie praktisch schon jetzt.

Zehn
    Das Stück hatte absolut nichts mit dem Weltraum, nichts mit Planeten zu tun. Alles drehte sich um die Familie Mond, Joe, Judy und deren geistig behinderte Tochter, in ihrer eigenen kleinen Welt in – dreimal dürfen Sie raten – Pluto, Missouri. Eine Stadt, die es nicht einmal wirklich gibt.
    Die ganze Aufführung war absolut nicht mein Ding. Man glaubte alles, aber es war langweilig. Erst hatte ich noch einen Funken Hoffnung, das geistig behinderte Mädchen könne vielleicht fliegen oder Gedanken lesen, aber das war nicht der Fall. Es war schlicht behindert und hatte kaum einen Satz zu sagen. Was für eine Rolle, ein meistens nur sabberndes Mondgesicht zu spielen.
    Ma trug ein schwarzes Kleid mit silbernen Blumen. Ich hatte ganz vergessen, was für ein Wunder sie sein kann, wenn sie es versucht. Sie hatte ihr Haar hochgesteckt und ließ nur ein paar Kringel hinten am Hals herunterfallen. Pa trug einen

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