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Mathilda Savitch - Roman

Mathilda Savitch - Roman

Titel: Mathilda Savitch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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schwarzen Anzug, in dem er aussah wie ein Millionär. Es hätten die beiden sein können, bevor es mich gab.
    Ich trug einfach Jeans und einen Pulli. Das Feuerwerk der Modenschau hebe ich mir für morgen auf. Ich habe Helenes Kleid schon ausgesucht. Mein Kleid. Hoffentlich geht es mir bis dahin wieder einigermaßen. Mir ist immer noch ein bisschen schwummerig von allem, was bei diesem blöden Stück passiert ist. Und im Kopf fühlt es sich nicht besser an. Was für ein Abend, ich kann Ihnen sagen! Grauenhaft. Grauenhaft mit Sahnehäubchen.
    Wir hatten gute Plätze, aber in einem schlechten Stück sind gutePlätze das Letzte, was man haben will. Sie sind wie Todeszellen. Pa saß am Gang, Ma neben ihm und dann ich. Einmal nahm er Mas Hand. Es war der traurige Teil, wo Judy Mond von ihrem Leben vor Joe erzählt, als sie professionelle Eisläuferin gewesen war. Auf den Anschlägen draußen vor dem Theater hieß es «witzig und rührend», aber ich habe kein einziges Mal gelacht. Pa lachte genau drei Mal, aber nur durch die Nase.
    Das Interessante war, darüber nachzudenken, dass die Leute auf der Bühne eigentlich gar nicht Joe und Judy Mond waren. Im wirklichen Leben waren sie kein Ehepaar, sondern Schauspieler. Im wirklichen Leben hieß er William Miller und sie Cynthia Callis. Sie taten mir leid, nur wusste ich nicht recht, wer mir leidtun sollte, Joe und Judy oder William und Cynthia.
    In der Pause rannte Ma aufs Klo. Pa und ich warteten im Foyer. Er nahm ein Glas Wein, ich einen Saft und Kekse.
    «Wie findest du es?», fragte Pa.
    «Ich dachte, es sollte witzig sein», sagte ich.
    «Das ist eine andere Sorte Witz», sagte Pa.
    «Welche Sorte?», wollte ich wissen. Aber er antwortete nicht. Er schlürfte seinen Wein und blickte zu den Deckenmalereien auf.
    «Was ist damit?», fragte er. Er schien sich irgendwie dort oben zu verlieren.
    In letzter Zeit ist mir aufgefallen, dass Pa immer mehr verschwindet. Meistens folgt er Ma, aber wo geht sie eigentlich hin?
    «Wie schmecken deine Kekse?», fragte er.
    «Gemein», sagte ich.
    Ich blickte mich in der Menge um, unter all den schicken Leuten im Foyer, und dachte an jene, die voriges Jahr in der Oper gestorben waren. Wein trinkend und Kleinigkeiten knabbernd, genau wie wir. Pa schaute unentwegt in Richtung Klo. Er wirkte nervös.
    «Sie ist reichlich lange da drin, was?» Er sagte es wie ein Hilfesuchender.
    Ich fragte ihn, ob ich sie holen solle. Doch genau in dem Moment gingen die Lichter ein paar Mal an und aus, das Zeichen, die Plätze wieder einzunehmen.
    «Geh rein und setz dich hin», sagte Pa.
    Ich rührte mich nicht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, wir drei sollten zusammenhalten.
    «Geh schon», sagte Pa. «Dann kannst du uns erzählen, was passiert ist, wenn wir etwas verpassen. Du weißt doch, wo unsere Plätze sind, oder?»
    Ich nickte, und dann ließ ich ihn einfach stehen mit dem schimmernden Weinglas in der Hand. Ich blickte nicht zurück. Ich bin abergläubisch mit dem Zurückblicken, wenn man von jemandem weggeht, wegen dieser Geschichte über den Sänger, der alles verdirbt bei seinem Aufstieg aus der Unterwelt. Er bekommt die Chance zu einem neuen Leben, aber er ist konfus und vermasselt es.
    Im Theater war der Vorhang noch geschlossen, aber man spürte es dahinter atmen. Als ich an meinen Platz kam, schaute die Frau neben mir auf und lächelte. «Nun, gefällt es dir, Schätzchen?»
    Sie war alt und duftete wie ein Potpourri.
    «Ja», sagte ich.
    «Ich liebe dieses kleine Mädchen», sagte sie. «Bricht einem das Herz.»
    «Finden Sie es witzig?», fragte ich.
    «O ja», sagte sie. «Die Mutter hat es in sich.»
    Ich sagte zu der alten Dame, ich hätte sie gar nicht lachen gehört, und sie sagte, sie habe inwendig gelacht. Eine interessante Bemerkung, wie ich fand. Sie klopfte sich auf die Brust, um mir zu zeigen, wo sich das heimliche Lachen verbarg. Dann gingen dieLichter aus, und sie machte «Psst», als wäre ich diejenige, die mit dem blöden Schwatzen angefangen hatte.
    Als der Vorhang aufging, war es eine ganz andere Welt. Das Wohnzimmer war verschwunden und die ganze Bühne weiß. Man wusste nicht, sollte es der Nordpol oder der Himmel sein, oder versuchten sie nur, uns zu blenden. Das Licht war irre grell.
    Lucy Mond stand allein auf der Bühne. Lucy war die Tochter. Sie stand einfach da, und lange Zeit passierte gar nichts. Als wäre es ein Irrtum. Schließlich begann Lucy, Töne auszustoßen. Halb Tier, halb Baby. Ich dachte, dies solle

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