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Mathilda Savitch - Roman

Mathilda Savitch - Roman

Titel: Mathilda Savitch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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geschahen noch andere Dinge, genauso unsichtbar, zwischen unseren Körpern. Ich wette, ich hätte schwanger werden können von dem, was von Anna zu mir kam, Stäubchen dieses weißen Puders. Die außerirdischen Finger trugen es wie Bienen zwischen uns hin und her.
    Könnte ich nur den weißen Bauch und das blaue Haar zusammenbringen, ich hätte das schönste Monster der Welt.
    Plötzlich merkte ich, dass Anna weinte. Kein Schluchzen, nur leise Spuren die Wangen hinunter. Ich sah sie an, und sie sah mich an.
    Ist das möglich, dachte ich. Anna weint. Irgendwie machte es mich glücklich.
    «Ich weiß nicht», sagte sie zu sich selber.
    «Ich blute», sagte sie.
    Ich verstand nicht, aber dann fasste sie sich an den Unterleib. «Heute Morgen hat es angefangen.»
    Ich fragte sie, ob es das erste Mal sei, und sie sagte: «Ja.»
    Sie wischte sich die Augen.
    «Vielleicht sollten wir ein paar Hausaufgaben machen», sagte sie. «Mir ist nicht nach Schlafen zumute.»
    Sie stand auf und zog das T-Shirt wieder an. Sie holte ihre Bücher und brachte sie ins Mondlicht. Es war dieselbe Welt, in der wir bisher gelebt hatten, und doch war sie jetzt anders. Alles begann zu glühen. Die Katze sah es. Sie hat das Wunder gesehen. Sie kam zu uns und rieb sich an Annas Bein. Anna schlug ein Buch auf, und darin war das Bild eines Vogels, daneben die Knochen eines Vogels.
    Gemein, sagte ich mir im Stillen.
Niemeg
.
    Anna legte die Bücher zwischen uns, und wir begannen mitten in dem Wunder Hausaufgaben zu machen. Wir hatten keine Eile. Wir hatten alle Zeit der Welt. Wir waren wie Minister Gottes.
    Als ich das erste Mal geblutet habe, glaubte ich zu sterben. Ich habe auch geweint.
    Als ich das erste Mal von Helene erfuhr, hat es länger gedauert mit dem Weinen. Ich war zu sehr damit beschäftigt, auf einmal zu merken, wie viele Stimmen da im All schrien, und mich zu wundern, warum ich sie bis dahin nie gehört hatte.
    Es gibt eine ganze Reihe ferner Welten, von denen wir keine Ahnung haben.
    Ich erinnere mich, wie ich im Mondschein dachte: Heute blutet Anna. In vier Tagen H.S.S.H.

Neun
    Heute habe ich sämtliche Planeten durchprobiert. Und dann noch an die hundert neue spanische Wörter, weil das eine der Sprachen war, die Helene in der Schule gelernt hat. Das spanische Wörterbuch steht noch in ihrem Zimmer. Und die Planeten spuken mir wahrscheinlich wegen des Theaterstücks im Kopf herum.
Plutos Mondwelt
. Heute ist der große Abend, mein Rendezvous mit Ma und Pa. Gestern hatte ich einen fürchterlichen Anfall, mit Tränen und allem, was dazugehört. Am Ende hat Pa angerufen und noch eine Karte bestellt.
    Aber mit den Planeten und den spanischen Vokabeln hat es nicht funktioniert. Falsches Passwort hieß es jedes Mal. Nach einer Weile kam ich mir vor wie eine Kriminelle. Schließlich nahm ich mir die
Bhagavad Gita
vor, um auf neue Ideen zu kommen. Kennen Sie dieses Buch? Ich weiß noch, wie Helene es gekauft hat. Wir kamen mit Ma aus Greenways Market, und auf dem Parkplatz sprach uns eine Frau in bunten Tüchern an. Es schien eine Art religiöse Buchverkäuferin zu sein. Ma sagte nein danke, aber Helene wollte einen Blick darauf werfen. Helene war ziemlich großzügig mit diesen Leuten auf Parkplätzen. Außerdem kostete das Buch nur fünf Dollar, trotz Farbillustrationen. Ich tippte also Krishna, Sanjaya, Arjuna und einen Schwung anderer interessanter Namen ein. Falsches Passwort, die ganze Latte.
    Haben Sie schon mal ein Bild von Krishna gesehen? Er hat blaue Haut, von Geburt, nicht künstlich färben lassen. Manchmal hat er zwei Arme, manchmal vier. Er trägt eine Goldkrone mit einer Pfauenfeder auf der Spitze. Er ist ziemlich attraktiv, auf eine ganzfremde Art. In der Einleitung zur
Bhagavad Gita
wird seine ganze Lebensgeschichte erzählt. Als Junge hat er sich mit den Kühen und den Hirtenmädchen rumgetrieben und war ein richtiger Lausebengel. Einmal klaute er Käse und steckte ihn in seine Backentaschen, aber als seine Mutter ihm den Mund aufsperrte, sah sie keinen Käse, sondern das ganze Universum. Sie hätte sich fast in die Hose gekackt. Das steht nicht wörtlich da, das mit der Hose. Ich wollte nur ein bisschen modernisieren, etwas Pepp in die Geschichte bringen. Ich möchte wetten, ich wäre die perfekte Übersetzerin, wenn ich wollte. Die Kunst besteht im Grunde darin, Fremden unter die Haut schlüpfen, nur in der eigenen Sprache.
    Als Pa mich später mit dem Buch sah, fragte er, was ich damit mache. Ich sagte ihm, ich sähe

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