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Mathilda Savitch - Roman

Mathilda Savitch - Roman

Titel: Mathilda Savitch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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habe aufgehört», erkläre ich.
    Ich sehe Kevin an und er mich. Ich glaube, es war irgendeine sexuelle Spannung zwischen uns. Es fühlte sich an wie Matsch, als ginge man durch einen Sumpf. Hat Helene wohl mehr gemacht, als mit den Jungen zu flirten, mehr als küssen und fummeln? Ich frage mich, ob sie tatsächlich mit einem geschlafen hat, bevor sie starb.
    «Warum hast du diese Kette vor der Tür?», frage ich Kevin.
    «Privatsphäre», sagt er.
    «Mein Bruder ist immer bei mir reingeplatzt», sagt er.
    «Dein Bruder ist ein ganz schöner Draufgänger», sage ich. «Wie ein Tier.»
    Im Kopf stelle ich ihn mir auf Helene vor.
    Kevin steht auf, geht zum Aquarium hinüber und klopft an die Scheibe. Die Fische flitzen weg, als hätte Gottes Antlitz sie erschreckt.
    «Was ist mit dem Keller?», sagt Kevin. «Wann soll das sein?»
    «Bald», sage ich.
    «Wie wäre es nächstes Wochenende?», fragt er.
    «Einverstanden», sage ich. Ich gucke die Fische an, und keiner rührt sich. Als wäre das Wasser mit einem Schlag zu Eis erstarrt.
    «Ich habe Esssachen unten im Keller», sage ich.
    Wir beide starren auf die steifen Fische. Eine unfreiwillige Schweigeminute gewissermaßen.
    «Glaubst du, wir könnten alle sterben?», fragt Kevin. «Alle Menschen auf der Welt?»
    «Ja», sage ich.
    «Es könnte morgen passieren», sage ich. «Oder mitten im Schlaf.»
    «Mein Vater sagt, sie seien noch nicht fertig», sagt Kevin.
    «Wer?», frage ich.
    «Die Terroristen», sagt er.
    Er tippt an die Scheibe, und die Fische kehren ins Leben zurück.
    «Wer weiß, was sie als Nächstes tun», sage ich. «Solche Leute sind unberechenbar.»
    Die Fische beobachtend, verzieht Kevin ein wenig das Gesicht.
    «Tiere», sagt er.
    Tiere.

Neunzehn
    Es klingelte vier Mal, bis Ma ans Telefon ging. Ich war in einer Telefonzelle ein paar Straßen von unserem Haus entfernt.
    «Hallo?», sagte sie.
    Ich zerknüllte eine Seite aus meinem Heft am Hörer, damit es wie eine Störung klang.
    «Hallo», sagte sie noch einmal. «Ist da jemand?»
    Ich hielt mir das Papier vor den Mund, um meine Stimme zu verstellen.
    «Ich bin’s», sagte ich.
    «Ich kann Sie nicht verstehen», sagte Ma.
    Ich raschelte wieder mit dem Papier. Ich versuchte zu sagen, was ich mir vorgenommen hatte, aber ich brachte es nicht fertig.
    «Wer ist da?», fragte sie.
    Helene,
wollte ich sagen.
    Stattdessen hängte ich auf.
    Am liebsten hätte ich mich selbst verhauen. Manchmal kann ich es nicht ausstehen, wie schwach ich bin. Erst große Ideen, und dann zögere ich. Wenigstens den Keller werde ich machen, dachte ich. Im Geist ging ich alle meine Pläne noch einmal durch. Den Keller, dann die E-Mails, dann mit dem Zug nach Desmond fahren. Ungefähr fünf Minuten stand ich da und entwarf meine Strategie. Die Gedanken kamen einer nach dem anderen, und alles war kristallklar. Außerdem verschaffte das Wetter mir das Gefühl, in meiner eigenen kleinen Welt zu sein. Es war Nachmittag, aber nicht sehr hell. Die Sonne war so weit weg, dass sie praktisch grüßen ließ.
    Erst da fiel mir auf, was ich an den Füßen hatte, komplett diefalschen Schuhe. Sandalen. Meine Zehen guckten raus wie im Sommer. Super Idee, Mathilda, altes Haus. Oje! Ich musste echt über mich lachen. Als ich nach Hause kam, hatte ich so eisige Füße, dass nur noch Hüpfen half, um sie aufzutauen. Ich dachte, der Krach würde Mas Aufmerksamkeit wecken, aber sie kam nicht aus ihrer Höhle heraus.
    Ich ging ins Wohnzimmer, wo mir aus dem Fernseher die Stimme eines weißhaarigen Mannes entgegenkam. Oben war ein Bild des Selbstmord-Terroristen eingeblendet. Ich verstand kein Wort von dem, was der Weißhaarige sagte. Ich sah nur die blauen Augen des Terroristen, die fast Annas Augen waren. Leute aus fremden Ländern sollten keine blauen Augen haben. Warum die Dinge noch komplizierter machen, als sie es ohnehin schon sind?
    «Was guckst du dir da an?», fragte Ma.
    Das macht sie manchmal, taucht unvermittelt aus dem Nirgendwo auf.
    «Nichts», sagte ich und stellte den Fernseher ab.
    Ma hatte ein Staubtuch in der Hand, ich konnte es nicht fassen.
    «Du putzt?», sagte ich, worauf sie etwas grunzte und wie Staub wischend über die Möbel fuhr. Sie bewegte sich wie ein Wollmammut, das versucht, sich aus einer Teergrube zu befreien. Eigentlich wollte ich sie fragen, ob sie heute irgendwelche interessanten Anrufe bekommen habe, aber ich hielt lieber den Mund.
    «Brauchst du Hilfe?», fragte ich.
    Sie sah mir nicht einmal in die

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