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Mathilda Savitch - Roman

Mathilda Savitch - Roman

Titel: Mathilda Savitch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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ja mit, dachte ich. Ich war nicht gerade erpicht darauf, allein in den Zug zu steigen. Offen gestanden klappern mir die Zähne, wenn ich nur daran denke.
    Und dann, wer kommt aus dem Haus? Annas Mutter natürlich. Ich ducke mich hinter den Baum, ehe sie mich sieht. Sie trägt einen weißen Mantel und weiße Handschuhe und dreimal dürfen Sie raten, welche Farbe der Hut hat. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie sie von einem Umzugswagen der Weihnachtsparade winkte. Ganz schön aufgedonnert, nur um Häuser zu verkaufen, was nämlich ihr Beruf ist. Ich frage mich, ob sie nur weiße Häuser verkauft. Das würde mich nicht überraschen.
    Sie steigt ins Auto, das schon in der Einfahrt geparkt ist. Sie lässt den Motor an, aber sie fährt nicht weg. Etwas verdächtig. Ich kann sehen, wie sie in Unterlagen blättert. Ich weiß genau, dass Mrs McDougal mich nicht mag, obwohl ich immer supernett zu ihr gewesen bin. Es ist ganz komisch, sobald ich mit ihr spreche, klinge ich wie ein Vogel. Als würde ich tschilpen. Aus irgendeinem Grund macht sie mich nervös. Dass sie mich hasst, habe ich zum ersten Mal gemerkt, als sie hereinkam, während Anna und ich gerade Fiesling spielten. Fiesling ist ein Spiel, das ich erfunden habe. Jetzt spielen wir es nicht mehr, aber im Sommer, als wir uns kennenlernten, haben wir es dauernd gespielt. Michael Flatmore hatte michdazu inspiriert. Die Regeln sind ganz einfach. Eine von uns spielt den Jungen und die andere das Mädchen. Der Junge sagt lauter Zeug, um das Mädchen rumzukriegen, aber sie will nichts mit ihm zu tun haben. Manchmal muss der Junge ziemlich aufdringlich werden. Manchmal muss er das Mädchen fast bedrohen. Ich kann das viel besser als Anna. Den Jungen spielen, meine ich.
    Darum war ich diejenige, die gerade den Fiesling spielte, als Annas Mutter hereinkam. Ich wollte Annas Aufmerksamkeit gewinnen, weil sie mich abblitzen ließ, wie es zum Spiel gehörte. Hey, sagte ich, komm schon, du siehst echt scharf aus. Hau ab, sagte Anna. Du hast echt ’n super Arsch, sagte ich. Anna guckte mich an, warf ihr Haar zurück und wollte gehen, aber ich ließ sie nicht. Eingebildete Zicke, sagte ich, glaubst du, du wärst zu gut für mich? Sieh mich an, sagte ich und packte sie am Arm.
Sieh mich an.
Es klang ziemlich bedrohlich, und genau da kam Mrs McDougal rein. Anna rannte zur Couch hinüber, um von mir wegzukommen. Ihre Wangen wurden knallrot. Als hätte ihr jemand Farbe ins Gesicht gespritzt. Wir machen nur ein bisschen Quatsch, tschilpte ich, aber Mrs McDougal wandte die Augen nicht von mir ab. Wirklich, es war unanständig, wie sie mich ansah. Und dann wurde ihr Körper stocksteif. Anna hat mir erzählt, dass sie Hanteltraining macht. Ich versuchte mir Ma beim Hantelnheben vorzustellen und hätte mich auf dem Boden wälzen können vor Lachen. Ma und ihre Hanteln. Urkomisch, auch nur daran zu denken.
    Tuuuut!
Der Ton ist laut genug, um Tote aufzuwecken. Mrs McDougal hält die Hupe gedrückt, und wie gerufen kommt Anna aus dem Haus gerannt. Im selben Augenblick komme ich hinter dem Baum hervor. Ich hebe die Hand und lächle, so gut ich kann. Sie sieht mich, und zuerst verzieht sie keine Miene. Aber dann bewegt auch sie die Hand. Nur ein klein wenig. Ich weiß, mehr kannsie nicht wagen, wegen ihrer Mutter im Auto. Ich gehe langsam auf sie zu, aber sie schüttelt den Kopf, wie um mich zu warnen. Ich bin direkt hinter dem Auto, als ich den Blick von Mrs McDougal im Rückspiegel auffange.
    «Was machst du denn hier?», sagt sie. Sie springt raus und stellt sich genau zwischen Anna und mich.
    «Ich möchte mit Anna sprechen», sage ich. «Nur eine Sekunde.» Dabei versuche ich, nicht zu tschilpen.
    «Ich habe deinem Vater gesagt, dass ich dich hier nicht sehen will», sagt sie.
    «Es tut mir leid, die Sache mit dem Keller», sage ich. «Bitte, Mrs McDougal. Geben Sie uns zwei Sekunden?» Ich muss mich in den Arm zwicken, damit ich nicht vor ihr losheule.
    Sie guckt auf ihre Uhr. «Ich bin spät dran», sagt sie. Anna soll einsteigen. Als Anna an mir vorbeigeht, berührt ihre Hand meine. Ich weiß nicht, ob es Absicht ist. Beide Türen schlagen zu. Das Auto setzt sich in Gang. Aber dann hält es wieder. Langsam geht auf der Fahrerseite die Scheibe herunter. Mrs McDougals Gesicht hängt da wie der Mond. «Willst du zur Schule?», fragt sie. «Sollen wir dich mitnehmen?» Ich glaube, sie will nicht dafür verantwortlich sein, ein Kind draußen in der Kälte stehen zu lassen. Sie hat Manieren,

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