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Matrjoschka-Jagd

Matrjoschka-Jagd

Titel: Matrjoschka-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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der Zukunft jedes Hoffenden wartete. 
    »Jelena Petrovic arbeitet unter Ihrer Leitung«, stellte Nore Brand übergangslos fest.
    Benvenutos Gesichtsausdruck veränderte sich, das Unterwürfige verschwand augenblicklich.
    »Ja«, sagte er. »Das ist so.«
    Weil die Kommissarin nicht reagierte, sprach er weiter. »Sie hat heute frei.«
    Sie schwieg weiter.
    »Normalerweise würde sie heute arbeiten, aber es gab eine Änderung.«
    »Die Sie vorgenommen haben«, sagte sie beiläufig.
    »Nein«, reagierte Benvenuto, ohne zu zögern, »der Direktor. Ich vermute, der Direktor hat gesehen, dass Frau Petrovic etwas durcheinander war, sie war die Einzige, die öfter mit Frau Ehrsam sprach.«
    Ah, das war endlich etwas Interessantes. Mehr als das. Der Direktor sorgte sich um eine Angestellte, die sich von einem Todesfall beeindrucken ließ, und gab ihr einen freien Tag.
    Nore Brand hoffte inständig, dass Nino Zoppa seiner Aufgabe gewachsen war.
    »Wie würden Sie die Beziehung zwischen Frau Ehrsam und Frau Petrovic beschreiben?«
    Etwas Hinterhältiges hatte sich in sein Gesicht geschlichen.
    Auch gut. Jetzt, wo es um Frau Petrovic ging und nicht um seine Person, zeigte er sich plötzlich hämisch entspannt.
    »Frau Ehrsam hatte die Gewohnheit, uns alle herumzubefehlen, auch den Direktor, aber der ließ das mit sich geschehen, ja, er lachte darüber, er kannte die alte Dame. Nur die neuen Angestellten hatten Schwierigkeiten damit. Zu Beginn ließ Frau Petrovic sie links liegen, obwohl sie Frau Ehrsam bedienen musste. Das war eine ziemlich unangenehme Sache.« Benvenuto grinste. »Daraufhin hat sich Frau Ehrsam beim Direktor beschwert, das gehe nicht an, worauf ich Frau Petrovic rügen musste.« Benvenuto lehnte sich befriedigt zurück.
    Das hatte ihm Spaß gemacht. Was für ein Widerling.
    »Und dann?«
    »Und dann?«, wiederholte er verständnislos. Sein Teil der Geschichte schien abgeschlossen.
    »Sie machen sich strafbar, wenn Sie Informationen zurückhalten«, äußerte Nore Brand mit Nachdruck. Paragrafen würden ihn vermutlich beeindrucken. Wie die meisten. Vielleicht hatte er schon unangenehme Erfahrungen gemacht. Das wäre leicht zu überprüfen.
    Er richtete sich auf. »Strafbar?«
    Nore Brand schwieg.
    Ricardo Benvenuto räusperte sich. »Sie hatten plötzlich einen freundlichen Umgang miteinander. Manchmal redeten sie länger. Das war eigentlich sehr erstaunlich, denn das tat Frau Ehrsam mit niemandem sonst.«
    »Was war Ihrer Meinung nach der Grund dafür?«
    »Ich habe Frau Petrovic für ihr unmögliches Verhalten getadelt und daraufhin hat sie zweifellos ihr Verhalten geändert. Frau Ehrsam hat sich jedenfalls nicht mehr beim Direktor beklagt. Es war offenbar nötig, dass jemand Frau Petrovic maßregelte.«
    Seine Selbstzufriedenheit war unerträglich.
    Nore Brand schaute an ihm vorbei zum Fenster hinaus. Die Wolkendecke war wieder schwerer geworden. Der Föhn würde bald nachgeben.
    »Und Frau Petrovic? Hatte Frau Petrovic keinerlei Gründe, sich zu beklagen?«
    Ein Ruck ging durch Bevenutos Körper. »Frau Petrovic?«
    »Ja«, sagte sie leichthin. Ihr Blick ging zurück zu ihm.
    »Ich wüsste nicht, warum. Sie hat hier eine Arbeit gefunden. Sie hat nicht den geringsten Grund, sich zu beklagen.« Sein Gesicht hatte sich gerötet.
    »Frau Petrovic ist eine schöne Frau«, lächelte Nore Brand, so wie es eine Frau tat, die für männliche Schwächen durchaus Verständnis hatte.
    »Schön?« Er lachte nervös. »Vielleicht.«
    Genau so lachte ein Mann, der eine Abfuhr erlitten hatte.
    Nore Brand klappte ihr Notizbuch zu. Das genügte ihr für den Moment.
    Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Leider muss ich unser Gespräch hier abbrechen.« Sie erhob sich und streckte ihm die Hand entgegen. Seine Hand war kalt und feucht. Verunsichert trat er zur Tür.
    »Ich hoffe, dass ich Ihnen weitergeholfen habe.«
    »Ja, das haben Sie, in jeder Hinsicht.«
    Er starrte sie einen Augenblick an, erstaunt, auf seine Floskel eine Reaktion erhalten zu haben, doch sie entließ ihn, ohne einen Versuch zu seiner Beruhigung zu unternehmen.
    Nein, dieser Kerl verdiente etwas ganz anderes. Eine Tracht Prügel, die ihm offenbar noch keiner verpasst hatte.
    Kaum hatte Benvenuto den Raum verlassen, klopfte Frau Lopez an der Tür. Eine freundliche junge Frau, die bereitwillig Auskunft gab. Auf die Frage, ob ihr in den letzten Tagen etwas aufgefallen wäre, gab sie zu verstehen, dass Frau Ehrsam früher als ursprünglich geplant abreisen

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