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Matrjoschka-Jagd

Matrjoschka-Jagd

Titel: Matrjoschka-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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Wenn man älter wird, behält man diese Sachen doch besser für sich und genießt, was es zu genießen gibt. Oder?« Sie schaute Nore Brand fragend an. In ihren türkisblauen Augen blitzte es. »Nun halten Sie mich sicher für unmoralisch.«
    Nore Brand musste lachen. Gab es noch Gründe, sich vor dem Alter zu fürchten?
    »Aber was wissen Sie schon davon. So jung, wie Sie sind.«
    Jung? Nicht mehr so jung. Mit 44. Nore Brand schluckte. Das war Ansichtssache.
    »Ihre Schwester hatte sozusagen Kost und Logis im Hotel.«
    »Ja, Reiche sollten Reiche anziehen. Ich weiß nicht, ob das geklappt hat. Aber in diesem Fall zahlt sich das jetzt aus. Er gehört sicher zu den glücklichen Erben. Sie müssen wissen, dass meine Schwester unendlich sentimental war.« Sie schaute die Kommissarin prüfend an.«Können Sie mit meinen Geschichten etwas anfangen?«
    »Oh ja.« Nore Brand warf einen Blick auf ihre Uhr.
    »Oh, Sie müssen doch nicht etwa schon gehen?«
    »Ich habe Ihnen viel zu viel Zeit gestohlen.«
    »Zeit gestohlen?«, lachte Fräulein von Wyberg, »ich habe alle Zeit der Welt. Wer an der Schwelle zur Ewigkeit steht, kann verschwenderisch umgehen mit der Zeit. Entschuldigen Sie, dass ich Sie so lange aufgehalten habe mit meinen alten Geschichten.«
    Nore Brand erhob sich und dankte. »Nein, Sie haben mir wirklich sehr geholfen. Nur noch eine Frage. Ihre Schwester hat vor ihrem Tod einem Anwalt Merian in Basel einen Brief geschrieben.«
    »Merian? Natürlich. Dieser Merian war sozusagen ein langjähriger Kampfgefährte meiner Schwester. Ich glaube, der war auch mal bei der kommunistischen Partei. Und später war er ihr Anwalt. Ich kenne ihn leider nicht, aber sie hielt sehr viel von ihm.« Fräulein von Wyberg trippelte hinter Nore Brand aus dem Wohnzimmer. »Sie haben eigentlich einen sehr unangenehmen Beruf, liebe Frau Brand. Früher war das noch Männersache.«
    Auch das hat sich glücklicherweise verändert, dachte Nore Brand.
    Da fiel ihr Blick auf ein Bild, das über einer antiken Kommode hing.
    Ein explodierendes Rumpelstilzchen. Genau so hatte sie es sich vorgestellt. So musste Rumpelstilzchen geplatzt sein vor Wut, regelrecht detoniert, wie eine Bombe, mit einem gewaltigen Donnerschlag. Eine irritierende Kraft ging von diesem Bild aus. Sie machte einen Schritt auf das Bild zu. Nein, sie hatte sich nicht getäuscht. ›Isidor Samuel Simmer‹ stand in steilen, kindlichen Buchstaben unter der Figur.
    »Ein Simmer«, sagte sie erstaunt.
    Fräulein von Wyberg stützte sich auf die Kommode und lächelte müde. »Sie kennen ihn? Ja, das ist ein Original. Frau Knecht, die Lehrerin, die meine Einkäufe macht, sagt immer wieder, es sei ein großes Glück, dass niemand von diesem Bild hier wisse. Die seien heutzutage sehr gefragt. Unglaublich, dass die Leute so etwas schön finden.«
    »Sogar mein Assistent wundert sich darüber.«
    »Ich hätte auch nie einen Rappen bezahlt für so etwas. Isidor hat es mir einmal geschenkt, weil ich nichts Passendes hatte zur Kommode. Er kam zum Tee, unter dem Arm hatte er das Bild, in der Tasche einen Nagel und einen Hammer. Er fand, das würde sich gut machen. Die Kommode würde etwas aufgefrischt damit. Na ja. Doch ihm zuliebe habe ich es hängen lassen, obwohl ich es noch immer sehr geschmacklos finde, aber, wissen Sie, mittlerweile sehe ich auch nicht mehr so gut, und als Isidor starb, brachte ich es nicht übers Herz, das Ding wegzunehmen.«
    »Sie haben ihn gekannt?«
    Fräulein von Wyberg strahlte. »Er war ein Freund der Familie. Mein Vater hat ihn unterstützt, wo er konnte. Künstler haben es ja immer schwer, nicht wahr? Sein aufgeregtes Gepinsel hat mir nie gefallen, aber er war so ein lieber Mensch. Das ist ja auch viel wichtiger, nicht wahr?«
    »Was für ein sonderbarere Zufall. Ich habe gestern seinen jüngsten Bruder kennengelernt. Jeremias Matthäus Simmer.«
    »Jeremias Matthäus?«, wiederholte Fräulein von Wyberg. »Aber der ist doch tot.«
    »Tot?«
    Fräulein von Wyberg nickte. »Für uns war er einfach der Jeremias und er lebt schon lange nicht mehr.« Sie schien plötzlich verwirrt. »Lassen Sie mich nachdenken. Manchmal bringe ich die Dinge durcheinander.«
    Sie stützte sich auf die Kommode. Ihr Kinn zitterte.
    Eine halbe Stunde später fiel die Türe hinter Nore Brand ins Schloss.
    Kaum stand sie wieder auf der Gasse, zog eine muntere kleine Gesellschaft vorüber, eine Schulklasse, immer zwei und zwei, Hand in Hand. Die kleinen, bunten Rucksäcke wippten auf

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