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Matrjoschka-Jagd

Matrjoschka-Jagd

Titel: Matrjoschka-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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bekannte Taktik altgedienter Anwälte, die bis an ihr Lebensende über genügend Kundschaft verfügten. Reiche, betagte Herrschaften, die sich mit Nachbarn zerstritten hatten wegen schief wachsenden Bäumen, an falschen Orten pissenden oder bellenden Hunden, brauchten Anwälte für ihre Rechte, für endlose Korrespondenz und zermürbende Verhandlungen, die in den meisten Fällen zu nichts führten als zu Frustration und Herzinfarkten. Die Hunde bellten, koteten und ließen ihr Wasser weiterhin immer gerade dort, wo die Natur sie dazu drängte. Hunde kümmerten sich um keine Gesetze und Paragraphen, demzufolge schrieben die Anwälte weiterhin teure Rechnungen für endlose Prozesse, der menschlichen Streitlust unendlich dankbar, denn diese Eigenschaft sicherte ihnen ein komfortables Dasein. Bis in alle Ewigkeit.
    Nore Brand schaute zu Erasmus; ihr war, als ob er ihr zunicken würde.
    Da.
    Nore Brand horchte auf. Durchdringendes Telefongeklingel. Im Vorraum waren Schritte zu hören. Die energischen Schritte der alten Frau, die ihr vor langen Minuten mit einem stechenden Blick die Türe geöffnet hatte.
    Als Nore Brand sich vorstellte, stieß sie einen verärgerten Laut aus.
    »Heute ist Freitag«, knurrte sie. »Am Dienstag hätten wir besser Zeit gehabt für Sie.«
    Keine Vorzimmerorchidee, keine süße Empfangsdame, nein, ein zähnefletschender Wachhund, ein Cerberus.
    Nore Brand nickte ihr freundlich zu. Im Grunde schätzte sie Ehrlichkeit. 
    Der Cerberus knurrte etwas vor sich hin und führte den verwünschten Besuch ins Wartezimmer. »Da, warten Sie hier«, lautete der barsche Befehl.
    Das war vor einer halben Stunde gewesen, aber nun bewegte sich wirklich etwas.
    Nore Brand hörte das Quietschen der Eingangstür, dann Gemurmel und wieder hastiges Getrippel. Wenig später stieß die mürrische Frau die Türe auf und streckte den Kopf herein. »Sie haben Glück. Er will Sie sprechen«, rief sie, dann verschwand der Kopf wieder.
    Als Nore Brand aus dem Warteraum trat, deutete sie mit dem spitzen Kinn auf die Türe zu ihrer Rechten. »Gehen Sie. Er wartet gar nicht gern.«
    Nore Brand nickte ihr mit sturer Freundlichkeit zu und trat in das Büro von Anwalt Merian, das noch schlechter eingerichtet war als der Warteraum. Der Schreibtisch drohte unter Papieren und antiquarischen Büchern zusammenzubrechen, dahinter kauerte, nach vorne gebeugt, ein greiser Mann tief in einem hölzernen Sessel, der bezüglich Alter und Unbequemlichkeit mit Sicherheit nicht zu übertreffen war.
    »Kommissär Brand?«
    »Ja.« Sie wollte rasch zur Sache kommen. Sie näherte sich dem Schreibtisch und streckte ihm ihre Hand entgegen. Er packte überraschend fest zu und starrte sie eine Weile schweigend an. 
    »Setzen Sie sich«, forderte er sie endlich auf und ließ ihre Hand los, »meine Schwester hat gesagt, dass Sie schon lange warten.« Er kicherte. »Seit wann muss es denn in Bern so schnell gehen? Gestern das Telefon und heute sind Sie hier.«
    Merian musterte sie mit stechenden Äuglein.
    »Sicher«, sagte Nore Brand mit unbewegter Miene.
    »Kein Sinn für Humor, was?«, krächzte es hinter dem Tisch hervor. »Also gut, kommen wir zur Sache. Sie sind da wegen meiner verstorbenen Freundin Klara Ehrsam, nicht wahr?«
    »So ist es.«
    »Was hat denn die Polizei mit unserer lieben Klara Ehrsam selig zu tun?«
    Nore Brand zog den Stuhl zur Seite, sodass sie zwischen den Bücherstapeln hindurch das Gesicht des Anwalts sehen konnte.
    »So schießen Sie doch los.«
    »Ich bin auf Ihre Hilfe angewiesen, Herr Doktor Merian.« Ein magischer Satz. Ein Türöffner. ›Ich bin auf Ihre Hilfe angewiesen, Herr Doktor Wieauchimmer‹. In der Tat. Ihr Geständnis schien ihn zu beglücken, genauso wie der Klang seines Titels.
    Anwalt Merian hielt seine Augen fest geschlossen und hörte zu. Als sie fertig war, blieb er eine Weile unbeweglich sitzen. Dann gingen seine Augen auf. Wie die Augen einer Eidechse.
    »Sie wollen also wissen, ob Klara Ehrsam kurz vor ihrem Ableben mir einen Brief geschrieben hat?«
    »Sie hat Ihnen geschrieben. Das weiß ich.«
    »Ja, ja«, murmelte er dann, »das sollten Sie aber nicht wissen. Nur nicht so ungeduldig, nicht so ungeduldig.« Er begann auf seinem Tisch zu suchen. »Sie haben recht. Das hat sie, das hat sie.« Seine Hände flatterten von einem Stapel zum nächsten, plötzlich packte er das Glöcklein, das neben einem schmierigen Wasserglas stand, und schüttelte es heftig. »Elvira«, schrie er, »Elvira, wo ist

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