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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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dann habe er immer den Abteiliger Jutzeler vertreten, wenn der frei gehabt habe, und da habe er sich ein paarmal Respekt verschaffen müssen bei den jungen Pflegern, und die seien ihm dann aufsässig geworden… Hätten ihn verklagt, er trage die Wäsche und die Schuhe von Patienten… Der alte Direktor habe die Sache untersucht, und er habe den andern geglaubt. Er habe den Gilgen entlassen wollen… Da habe der Abteiliger Jutzeler gedroht, dem alten Direktor nämlich, man werde den Streik proklamieren, wenn der Gilgen entlassen würde… Der Direktor habe nur gelacht… Und er habe recht gehabt, zu lachen, denn es sei wenig Einigkeit unter den Pflegern… Kaum ein Dutzend, die organisiert seien… Der Rest sei froh, überhaupt eine Anstellung zu haben in dieser Krisenzeit… – Und nun?, fragte Studer. Er hatte Mitleid. – Nun habe er heut mittag, wie er heimgefahren sei, den Betreibungszettel gefunden… Natürlich, wenn ihm sein Lohn gepfändet werde, dann sei alles verpfuscht… Die Frau sei in keiner Krankenkasse… Er habe alles versucht, sagte der Gilgen, in der Freizeit habe er für Kollegen geschneidert, obwohl das ja eigentlich verboten sei, Doppelverdienertum… Bei den Pflegern wenigstens. Wenn die Frau vom Dr. Blumenstein im Dorfe Lehrerin sei und ihr Mann den Lohn ziehe in der Anstalt, so mache das nichts…
    Studer nickte… Es ging ungerecht zu in der Weit. Er hätte dem kleinen Gilgen von den zwölfhundert Franken erzählen können, die der Direktor von der Krankenkasse gezogen hatte… Aber er wollte nicht hetzen.
    Merkwürdig immerhin, daß der kleine Mann so großes Vertrauen zu ihm hatte. Der Pfleger Gilgen, den er gestern noch gar nicht gekannt hatte, mit dem er heute morgen einmal gejaßt hatte, dem er vielleicht ganz aus Zufall vom Dr. Laduner übergeben worden war, um auf der Abteilung B herumgeführt zu werden…
    Studer tröstete, so gut er konnte. Er werde sein Möglichstes tun. Dr. Laduner leite ja vorläufig die Anstalt, er werde bei ihm ein gutes Wort einlegen…
    Der Pfleger Gilgen ging ein wenig getröstet fort.
    Studer fiel es auf, daß er noch einen furchtsamen Blick nach der Zimmerdecke warf – aber dann vergaß er es wieder. Das Handharpfenspiel hatte aufgehört…
    Auf dem Rückweg von der Gangtür, zu der er den kleinen Gilgen begleitet hatte, blieb Studer vor der Tür zum Arbeitszimmer stehen. Ihm war eingefallen, daß er an seine Frau telephonieren wollte.
    Er klopfte scharf an und öffnete, prallte zurück…
    Auf einem Ruhebett, den Blick zur Tür gewandt, lag ein junger Mann mit angstvoll aufgerissenen Augen. Er hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und Tränen liefen über seine Wangen. Ihm zu Häupten aber saß Dr. Laduner in einem bequemen Lehnstuhl und rauchte. Als er Studer erblickte, sprang er auf, kam an die Tür und flüsterte aufgeregt: »In einer halben Stunde… Ich bin jetzt beschäftigt…« Und drückte die Tür ins Schloß.
    Studer blieb einen Augenblick stehen und dachte nach. Der junge Mann auf dem Ruhebett war der Herbert Caplaun, Sohn des Obersten…
    Warum lag der Herbert auf einem Ruhebett und weinte?
    Frau Laduner kam aufgeregt durch den Gang. Man dürfe ihren Mann jetzt nicht stören, er habe einen Privatpatienten in der Analyse…
    Analyse? Was denn das sei?…
    Frau Laduner winkte ab. Das sei schwer zu erklären. Und Studer dachte, das sei ebenso schwer zu erklären wie der Ausdruck Angstneurose.
    Still ging er in sein Zimmer zurück und begann seine Taschen zu leeren. Sein ramponierter Lederkoffer war geholt worden und stand auf dem Tisch. Unter seine Wäsche legte Studer den Sandsack, die Enveloppe mit dem Staub, den er aus den Haaren des toten Direktors gebürstet hatte, und das Stück groben Stoffs, das er unter Pieterlens Matratze gefunden hatte.
    Dann zog er sein Büchlein aus der Tasche, schlug die Seite mit den Namen auf und begann sie auswendig zu lernen, so, wie ein fleißiger Lateinschüler Vokabeln lernt:
»Jutzeler Max, Abteilungspfleger
Weyrauch Karl, Oberpfleger
Wasem Irma, Pflegerin, 22jährig…«
    Da fiel ihm auf, daß er vergessen hatte, den kleinen Gilgen einzutragen, auch Schül, den Freund Mattos, hatte er vergessen, und auch die Jungfer Kölla von der Küche stand nicht im Büchlein. Aber diese drei ließ er sein, denn sie schienen nicht zum Fall zu gehören…
    Leise flüsterte er ein paarmal:
    »Pieterlen Pierre, Kindsmord«
    und:
    »Caplaun Herbert, Angstneurose.«
    Dann klappte er das Buch zu, faltete die

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