Mattuschkes Versuchung
aus Washington erwartete, der sich gerade meldete. Dadurch überhörte sie die Geräusche, die der Eindringling verursachte. Die alte Alarmanlage war mühelos auszuschalten. Sie hatte das Gespräch mit guten Nachrichten gerade beendet, den Hörer noch in der Hand, als sie ein Klirren vernahm, sich in ihrem Stuhl umdrehte und von einer dunkel gekleideten Gestalt am Hals gepackt, zu Boden gerissen wurde. Den Schlag auf den Kopf registrierte sie nicht mehr. Sie hatte Glück, dass einem Passanten in der Nacht der ungewöhnliche Lichtschein auffiel, der aus dem Büro in den Laden drang und das aufgebrochene Türschloss. Man brachte die Bewusstlose ins Krankenhaus, suchte den Tatort nach Spuren ab.
Louise hörte am Morgen im Radio von dem Überfall auf die nette alte Dame, sie kannte das Geschäft, das gediegene Ware führte, nicht modern, aber klassisch. Als Kind hatte sie mit ihrem Vater dort das Weihnachtsgeschenk für ihre Mutter eingekauft. Frau Renard war immer sehr nett und vernarrt in Kinder. »Sie befindet sich im künstlichen Koma, ihr Zustand ist ernst«, hörte sie den Nachrichtensprecher.
»Was sind das nur für Menschen, die sich brutal an einer wehrlosen, alten Frau vergreifen«, sagte sie angewidert und entsetzt. Sie fuhr ins Büro, wo Paul sie strahlend begrüßte, er war schon früh am Schreibtisch, um die Auswertungen vom Vorabend aufs Papier zu bringen. Gerade wollte sie ihn fragen, wie sein Abend verlaufen ist, als Polizisten in den Raum stürmten, Paul Handschellen anlegten und verhafteten – so unglaublich es klang – verhafteten, wegen dringenden Verdachts des Einbruchs und versuchten Totschlags an Juliette Renard. Paul war fassungslos, suchte sie verzweifelt mit seinen Augen, die »ich bin unschuldig, ein fürchterliches Missverständnis«, sagten, dann zerrte man ihn in den Streifenwagen und fuhr davon. Andere untersuchten seine Wohnung. Louise war leichenblass und zu keiner Regung fähig. Die Anschuldigung war völlig absurd. Alice Mühsam begann hysterisch zu schluchzen: »So ein netter Mann, wer hätte diesen Abgrund in ihm vermutet?«
»Halte doch den Mund Alice«, sagte sie mit bebender Stimme, »so ein Blödsinn, wenn Paul tatsächlich der Verbrecher ist, lasse ich mir die rechte Hand abhacken. Das ist eine furchtbare Anschuldigung, ein wahnsinniges Missverständnis, ich habe nur keine Erklärung dafür.«
Das Institut geriet in Aufregung, Weidenfels wurde zum Präsidenten bestellt, der schon von der Sache erfahren hatte. Lähmend zog sich der Tag hin, Louise war nur zum Allernötigsten fähig. Am Abend meldete sich Pauls Anwalt. »Konnte der Irrtum aufgeklärt werden, ist er inzwischen zu Hause?«, waren ihre ersten Worte.
»So einfach ist es leider nicht, die Sache sieht nicht gut aus.«
»Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Paul diesen Einbruch verübt hat?«
»Natürlich nicht, aber die Verhaftung stützt sich auf ein wesentliches Indiz. Am Tatort fand man seine Schnupftabakdose mit Visitenkarte. Seine Fingerabdrücke sind darauf.«
»Die Dose hat er schon vor Wochen verloren, hat man denn seine Fingerabdrücke auch im Laden gefunden?«
»Davon ist mir nichts bekannt und was die Dose anbelangt, die hätte er ja zwischenzeitlich wiederfinden können. Leider hat er für die Tatzeit kein Alibi, er war joggen, aber keiner hat ihn gesehen. Entscheidend wird die Aussage von Frau Renard sein, aber die ist nicht ansprechbar und ob sie überhaupt etwas gesehen hat?«
Louise legte auf und sank auf ihren Stuhl. Alles drehte sich. »Ich werde wahnsinnig«, dachte sie, »so etwas gibt’s doch nur im Horrorfilm.«
Mattuschke hatte das Gespräch hinter dem Spiegel mitgehört, er grinste breit. Kurze Zeit später läutete er an ihrer Tür. »Ich glaube, heiße Schokolade wird dir gut tun.«
Sie fiel ihm weinend um den Hals.
»Meine Nerven sind am Ende, danke, was täte ich nur ohne dich?«
Sie sprachen über den unglaublichen Vorfall. Auch Heinz hielt Paul für unschuldig, aber die Sache mit der Dose?
»Das macht doch keinen Sinn. Keine Fingerabdrücke im Laden, aber auf der Dose.«
»Nun ja, der Dieb hat wahrscheinlich Handschuhe getragen und die Dose könnte ihm unbemerkt aus der Tasche gefallen sein.«
»Hm, und wo hatte er sie her?«
»Wahrscheinlich irgendwo gefunden und eingesteckt. Nichts gegen den sympathischen jungen Mann, in den du dich verliebt hast. Aber seither hast du ganz gewaltigen Trouble.«
Louise blickte verzagt. Paul blieb in Untersuchungshaft, in den
Weitere Kostenlose Bücher