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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ersfeld
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und ein Materialwagen nach einer Panne zu spät eintraf, waren einige Leute wach, die sofort Alarm schlugen. Sonst hätte es eine Katastrophe gegeben. Niemand hatte den geringsten Zweifel, dass Boris, die lebende Fackel, der Pyromane war.
    »Wenn ich mir alles zusammenreime, bin ich fast sicher, dass er der Mann in schwarz war, der über Sina hergefallen ist, nicht Narben-Kurt, wie ich zuerst vermutete. It's clear for me, aber wer hat ihn gerichtet?«, fragte Harry, als sie im Wagen der Mattuschkes saßen.
    Heinz zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat er selbst im Rausch die Flüssigkeiten verwechselt?«.
    Seine Augen waren auf Sina gerichtet, die blass und mit scheuem Blick dem Gespräch folgte. Dann sagte sie plötzlich sehr bestimmt:
    »Wir werden den Zirkus wechseln, nach diesem Gastspiel sprechen wir mit Chapiteau. Hier ist das Unglück eingezogen, Medusa hat Recht.«
    Alle waren wie vor den Kopf gestoßen. Er wollte protestieren, herausschreien, dass er nicht leben könne ohne sie oder zumindest die Aussicht, sie ab und zu sehen und sich seine erotischen Träume erfüllen zu können, aber die Kehle war wie zugeschnürt. Wortlos verließ er den Wagen, um sie nicht die Tränen seiner Enttäuschung sehen zu lassen. Er hatte sie gerächt, den Scharlatan, der sie entehrte, gerichtet, und das sollte der Lohn sein? Könnte er ihr sagen, dass er es war, dass er keine Sekunde vergehen ließ, um ihren Peiniger zu bestrafen? Nein, das konnte er nicht, damit durfte er sie nicht belasten, niemand durfte es erfahren, obwohl man alles tat, um den Schuldigen zu finden.
    Sie wussten ja nicht, was Boris vorher verbrochen hatte, Sina und Harry hatten den Vorfall verschwiegen. Sie machten ihre Ankündigung wahr und heuerten bei einem anderen Zirkus an, er und seine Eltern trauerten gleichermaßen und doch aus unterschiedlichen Gründen. Wochenlang war er verzweifelt, der Anblick der schönen Frau gehörte ihm, gehörte allein seinen Augen. Wie konnte sie ihm das nur antun?
    Ricardo nahm das Training wieder auf, musste sich umstellen, da er die zweite Peitsche in der linken Hand nicht mehr wie bisher führen konnte. Er dankte Heinz innig für die mutige, gelungene Vertretung und umarmte ihn wie seinen Bruder.
    »Die Löwen lieben dich und umgekehrt, sonst wäre es nicht möglich gewesen.

Sie engagierten eine neue Pferdenummer, aber sie war kein wirklicher Ersatz für die beiden, weder qualitativ, noch optisch. Aber das Spiel musste weitergehen. Er traf sich öfter mit Britta, die darunter litt, eiserne Disziplin zu halten, die Essensportionen waren so gut wie abgewogen, kein Kuchen, keine Süßigkeiten, kein Alkohol. Auch er hielt sich von ihm fern bis auf das gelegentliche Glas Wein, das ,Chapiteau nach gelungenen Geschäftsabschlüssen mit ihm teilte und immer von bester Qualität war. Wenn er trank, dann nie gegen den Durst, sondern allein für den Genuss. Mattuschke lernte Weine in diesen Jahren zu schätzen. So differenziert und fundiert ,Chapiteau über das Zirkusgeschäft Bescheid wusste, so künstlerisch erfasste er auch den Geschmack eines Weines. »Spürst du die vibrierende Säure, Aromen von Orange und Aprikose, die auf der Zunge tanzen?« Vor allem das reizvolle Spiel unterschiedlicher Jahrgänge und der feinen Reifenuancen reizte ihn. Oft ließ er ihn mit geschlossenen Augen probieren und das Alter erraten, damit er nicht von der Farbe gereifter Weine beeinflusst wurde.
    »Weinkommentierungen«, sagte er und schlürfte genüsslich aus seinem Glas, »müssen sein wie ein Minirock.« Mattuschke lachte amüsiert. »Das Wesentliche knapp umspannen und dabei so kurz, dass das Interesse daran immer wach bleibt. Regen lässt das Gras wachsen, Wein das Gespräch.«
    Heinz' Vater liebte dagegen edle Whiskys, die kräftigen Malts der schottischen Insel Islay, die markant von Torf und Rauch geprägt waren oder solche von Orkney, die ein leichter Hauch von Salz und Meer begleitete. Der Single Malt Corryvreckan v on Ardbeg, ging ihm nie aus.
    Britta hatte sich zur Frau entwickelt, apart, mit braunem Haar und grünen Augen, die ihn an die Lichter seiner Katzen erinnerten. Sie hatte etwas Schelmisches, Herausforderndes im Blick. Wenn sie nicht gerade im Training war, suchte sie ihn öfter im Bürowagen auf oder holte ihn dort ab. Viel konnte man bei dem strengen Trainingsplan und zwei Aufführungen am Tag nicht unternehmen. Von Kindertagen an waren sie vertraut miteinander wie ein Paar, aber in letzter Zeit war etwas anderes

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