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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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oder?«
    Er zupfte an seinem rechten Ohrläppchen. »Das ist nicht das, was ich seltsam finde.«
    »Erhelle mich, du Leuchte.«
    »O wie gern. Seltsam finde ich, daß ein Mann, der jahrelang im politischen Bonn gearbeitet hat, da so ein entweder-oder konstruiert. Die sind alle gnadenlos dumm
und
gnadenlos verlogen.«
    Jorinde widersprach nicht allzu heftig; sie sagte, sie finde viele nette Formen von Esoterik in den Verlautbarungen aus Bonn, und das sei zumindest teilweise durchaus nicht gnadenlos, sondern absolut begnadet.
    »Außerdem«, setzte sie hinzu, als Matzbach in der Nähe des Steigenberger in Bad Neuenahr den nächsten Parkplatz fand, »gibt es doch in diesem unserem Lande trotz allem noch ein paar Dinge, die funktionieren, und ein paar idyllische Ecken.«
    »Aber nur, weil es ein paar Dinge gibt, aus denen Politiker und Bauplaner bisher die Finger rausgehalten haben.«
    »Apropos. Diesmal hast du mir ja die längere Bonnvisite erspart. Gibt’s da was Neues?«
    Matzbach schloß den Wagen ab, schob Jorinde über die Straße, Richtung Kurpark, und ächzte übertrieben dramatisch. »Du weißt ja nicht, was dir entgangen ist. Einen Teil siehst du aber auch vom Zug aus.«
    Jorinde boxte ihn in den Bauch. »Du weißt doch, wenn ich zu dir komme, überwältigt mich die Vorfreude so, daß ich nichts mehr sehe.«
    »Danke, Euer Lieben. Abermals danke. Tja, was gibt’s da Neues? Im Moment haben Bonn und Weimar noch die gleiche Postleitzahl …«
    »Ja? Tatsächlich?«
    »Fürwahr, sie haben. Und wie man sich an das, was der Weimarer Republik folgte, nur ungern erinnert, wird man sich alsbald nach der Bonner Republik zurücksehnen. Bescheidene Profizeihung. Jedenfalls, seit diesem albernen Berlin-Beschluß …«
    »Wieso albern? Irgend eine Entscheidung war doch nötig, oder?«
    »Nee. Berlin als Hauptstadt steht in der Verfassung; was gibt’s da zu diskutieren? Was man hätte machen sollen, wäre ein Beschluß etwa so, daß man sagt, Berlin ist Hauptstadt, aber Bonn bleibt Verwaltungssitz, bis alle anderen anstehenden Probleme gelöst sind und wir genug Geld für Größeres haben. Also vielleicht nie. Oder später. Jedenfalls brauchen wir die Milliarden, die das Spiel kostet, anderswo sehr viel dringender. Zum Beischlaf in den NeBuLä. Oder für geförderten Wohnungsbau. Oder so. Oder« – er giggelte – »für die Bonner Stadtplaner. Die bauen nämlich einfach weiter, schmeißen mit der Knete herum, die keiner hat, untertunneln ganz Godesberg, und wenn sie mit allem fertig sind, ist plötzlich keiner mehr da. Abgesehen davon, daß die auch gleich nach Berlin gehen könnten, aber alles, was da rumsteht, ist denen natürlich nicht groß, nicht fein, nicht repräsentativ genug. Mir wär’s übrigens sehr recht, wenn die ganz schnell verschwänden.«
    »Wer, die?«
    »Die Affenärsche. Der Kanzlerdarsteller und seine Schranzen. Das ganze Pack. Noch gibt’s in Bonn ein paar Stellen, die nicht durch Planung und Sanierung verwüstet sind. Je schneller die abhauen, desto höher nachfolgend die Lebensqualität. Bloß die Berliner tun mir leid; ob die schon wissen, was sie sich eingehandelt haben?«
    Jorinde schob die linke Hand in seinen Gürtel, zog sie wieder heraus, schob sie in die Hose und krätzelte sein Gesäß.»Laß uns von was anderem reden; das macht mich ganz melancholisch. – So ein feiner Baum!«
    Sie blickte den Stamm einer Blutbuche hinauf; als sie weitergingen, drehte sie sich mehrmals um, damit sie die ausladende Krone würdigen konnte.
    »Hier ist jedenfalls noch ein bißchen heile Welt. Keine Bonner Politiker, keine Tschetniks, keine Roten Khmer«, sagte sie.
    »Meinst du? Interessant. Komm mal mit.«
    Matzbach schob sie sanft vom Parkweg nach rechts, in die Büsche.
    »He, was soll das? Willst du … doch nicht
hier

    »Keine Sorge, Madame. Ich wollte dir nur ein bißchen heile Welt zeigen.«
    »Kennst du dich damit aus?«
    »Weder mit heiler Welt noch mit diesem speziellen Park; aber einige Dinge sind überall gleich. Bitte sehr. Hierhin kommen die Jungs von der Parkreinigung erst morgen wieder.«
    Jorinde schob die Unterlippe vor und starrte auf die kleine Lichtung zwischen Lorbeerbüschen und anderem Gestrüpp.
    Dort lagen Coladosen, Bierbüchsen, Kondome, ein paar Spritzen, Tampons, Einwegfeuerzeuge, ein abgebrochenes Messer, eine sinnvoll verwendete BILD, Kippen, ein Hundehalsband, eine zerfranste Socke.
    Jorinde drehte sich um; wortlos ging sie zum Weg zurück.
    Als sie den Park

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