Matzbachs Nabel
er einen Interessenten hat, der mehr als den Katalogpreis zahlen wird, hat der Dealer mir nach einigem Feilschen zwanzigtausend Mark in kleinen gebrauchten Scheinen gegeben. Er fing mit elf an. Ahemm. Das Goldstück zu fünf Pfund Sterling mit der jungen Victoria einer- und einem stabgelenkten Löwen andererseits stammt aus dem Jahre 1839; es war nie in Umlauf, und davon wurden überhaupt nur vierhundert Stück hergestellt. Der Dealer sagt, er hätte nie ein Exemplar gesehen und wüßte gern, woher Osiris es hatte. Der Katalogpreis ist achtundzwanzigtausend Dollar; hier haben wir uns auf fünfundzwanzigtausend Mark geeinigt. Ich nehme an, der hat auch dafür einen Interessenten. Zu gutem Ende die Zwanzig-Dollar-Münze, die ihr mir als Honorar aufdrängen wollt.« Matzbach räusperte sich. »Ein perfekter, unzirkulierter Double Eagle von 1875, Katalogpreis fünfundsiebzigtausend Dollar.«
»Wow. Va-va-va-voom«, sagte Jorinde. »Lädst du mich zu ner Currywurst ein?«
»Mit Fritten sogar. Aber von diesen Münzen hat es fast jedes Jahr – damals – mehrere hunderttausend Stück gegeben; im fraglichen Jahr beispielsweise fast dreihunderttausend, deshalb sind sie nicht so selten, sogar als perfekte Exemplare. Jedenfalls – fünfundvierzig Riesen animieren mich mächtig, diese wüste Affäre hier weiterhin offenen Auges zu verfolgen.«
Er bückte sich, hob die Reisetasche, die er aus bis zu diesem Moment unerfindlichen Gründen mit zum Frühstück geschleppt hatte, auf den Tisch und zerrte mehrere dicke Bündel heraus: kleinere und mittelgroße gebrauchte Scheine, hergestellt in den Folterkammern der Deutschen Bundesbank.
»Da. Voilà, gewissermaßen. Eure beiden Münzen, fünfundvierzig Kilo. Ich sag es ja nicht gern, aber durch Paulys Ableben ist es leichter zu teilen; ihr seid ja nur noch zu dritt. Mal sehen, wer als nächster abspringt.«
»Du, hoffentlich.« Genenger nahm die Scheine in die Hand, wog oder wägte sie und reichte sie an Yü weiter, der sie befingerte, als ob er sie mit Stäbchen essen müßte. »Wenn hier einer abgemurkst gehört …«
»Wie Konfuzius sagte, nähren sich die Himmelsdrachen am liebsten von tugendhaften Personen. Matzbach hat gute Chancen, ewig zu leben.«
»Kommen wir zu den anderen wichtigen Dingen. Genenger, weghören; du kennst das ja schon.« Matzbach hielt seinen Knautschzettel hoch. »Asbeck, Koslowski, Bodde, Odemer, Langhans, Neuenburg, Theimer, Schurek.«
»Was sind das für Namen?«
»Dies, o Hexe, sind acht Leute, die in den letzten Jahren jeweils in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag den Löffel abgegeben haben. Immer, wenn einer der famosen Ärzte dieser famosen Klinik Notdienst hatte.«
»Und?«
»Dazu kommen wir jetzt. Ah, Moment – habt ihr zufällig die Karten gerettet, die Osiris beschmiert hat?«
»Nee. Sind alle verbrannt. Warum?«
»Es wäre hilfreich gewesen, aber das kriegen wir auch so hin. Ich tät jetzt aber eine genaue Karte der Gegend hier überaus gern brauchen können.«
Genenger knurrte etwas. »Ich weiß nicht, ob hier noch welche rumfliegen; wahrscheinlich hat die Republik alle beschlagnahmt. Ich hab eine im Auto, aber damit ist Bergner unterwegs.«
Matzbach seufzte und zog einen Diktierblock aus der Reisetasche. »Na ja, muß ich eben malen.« Mit verkniffenem Gesicht begann er, eine ungenaue und extrem häßliche Skizze anzufertigen.
»Ssso. Muß für den Moment reichen. Der Kreis hier, das wär der Rosengartenbunker, klar?«
»Nein, Herzchen«, sagte Jorinde. »Nur wenn du’s dranschreibst.
Mon dieu
, zeichnen gehört nicht zu deinen Gaben. Das ist ja zum Jaulen.«
»Jaule sie ruhig, Gevatterin. Es wird ihr nichts nützen. Also: Von diesem Kreis aus hat Osiris Striche in alle Himmelsrichtungen gezogen, so etwa; vermutlich sollen es unterirdische Ausgänge, Röhren, Stollen oder so was sein. – Jetzt kommen wir zu des Rudels Kern.«
»Pudel«, sagte Yü. Er beugte sich vor. »Unterirdische Gänge? Apart. Wie in einem schlechten chinesischen Roman. Wie kommst du darauf? Warum sollen es keine Wege sein oder geheime Telefonkabel oder Sickerrinnen oder was auch immer?«
»Wir werden das nachher testen; für den Moment bitte ich um stillen Glauben. – So. Aufgepaßt. Ich habe, wie gesagt, viele Orte besucht, und alle sind entweder wie Düsseldorf,Bonn, Wiesbaden und so weiter Hauptstädte, oder wie Münster und Koblenz Verwaltungszentren. In diesen Orten hab ich Zeitungsarchive durchwühlt, mit Leuten geredet, die mir von, eh,
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