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Mauer, Jeans und Prager Frühling

Mauer, Jeans und Prager Frühling

Titel: Mauer, Jeans und Prager Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd-Lutz Lange
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geworden? Hat man damit den Abriß finanziert?
    Das Messehaus Union am Halleschen Tor mußte jenen drei schrecklichen Wohnriegeln am Brühl weichen, deren östlicher nur knapp neben dem Messehaus errichtet wurde. Die berüchtigte Kugel hatte große Probleme mit dem stabilen Bau. Die Leipziger amüsierten sich: »Guggd euch das an – sie kriechn das Haus gaum gabudd!«
    Das Messehaus Union war 1924 eingeweiht worden, dieFlügel umgaben einen geräumigen Lichthof. Das schmückende Beiwerk, aus Kunststein geformt, entstammte dem Atelier von Alfred Thiele. Die Figuren verkörperten die menschliche Schaffenskraft, die Tierkreiszeichen deuteten den Ablauf der Zeit. Im Erdgeschoß befanden sich u. a. eine viel genutzte Selbstbedienungsgaststätte und eine Schnellbesohlanstalt. Das stattliche Gebäude war im Krieg ausgebrannt, jedoch zur Herbstmesse 1948 bis zum 5. Stockwerk wieder uneingeschränkt nutzbar. Möbel und Leuchten wurden in diesem Messehaus ausgestellt.
    Wie kam es hier in Leipzig, aber auch anderswo in der DDR, zu dieser Nichtachtung der Baukunst vergangener Jahrhunderte?
    Viele Funktionäre wollten in ihrem Tun, in ihren Entscheidungen nicht an Vorheriges anknüpfen, sondern alles neu, besser, eben sozialistisch machen. Vieles wurde als bürgerlicher Mumpitz weggerissen, Gründerzeitbauten mißachtet, weil in jener Zeit Bismarck bekanntlich die Sozialistengesetze erlassen hatte … Dafür wurden selbst Häuser »bestraft«.
    Leute wie der hemdsärmelig grobe Fröhlich fanden prinzipiell jeden sozialistischen Plattenbau schöner als ein historisches Gebäude. Nur einmal murrte er über die neue Architektur. Das langgestreckte Wohnhaus an der Reichsstraße zierten schwarze und gelbe Platten, die ein besonderes Ornament in der Fassade ergaben. Zur Abnahme knurrte Fröhlich: »Schwarz ist keine optimistische Farbe für eine sozialistische Großstadt!« Gerüste wurden wieder aufgestellt und die dunklen Platten weiß zugespritzt. Fröhlichs Welt war wieder hell und heil.
    Manchmal versuchten in jenen Jahren Mitarbeiter aus dem Büro des Chefarchitekten noch etwas zu retten. Professor Dr. Horst Siegel, ehemals Stadtarchitekt, sagt in dem Buch »Die Zerstörung«: »Ich kam in einer Zeit, als die Abbruchkugel die Leipziger Stadtplanung bestimmte. Bezogen auf diesen Plan habe ich es geschafft, daß man nur noch drei Häuser abgerissen hat. Nicht mehr halten konnteich das Union-Messehaus, die Ruine vom Gewandhaus und – was ich sehr bedauere – Deutrichs Hof. Alles andere ist mir gelungen zu erhalten, vor allem den Bereich um die Nikolaistraße …« Auch für die Nikolaistraße gab es Überlegungen zum Abriß. Die Gegner solcher Pläne argumentierten vor allem mit den dann fehlenden Gewerberäumen. Der Abbruchplan nennt selbst Gebäude wie Barthels Hof am Markt und das Fregehaus in der Katharinenstraße. Siegel: »Das heißt, in Leipzig war ein sehr großes Abbruchkonzept beschlossen, mit dem Hintergedanken: Es muß alles groß, weit, hell und luftig werden.
    Man muß aber fairerweise sagen: In der Bundesrepublik sind in den fünfziger und sechziger Jahren noch mehr Flächen abgebrochen worden als in dieser Konzeption. Das heißt, auch international gab es den Trend: »Weg mit dem Alten, wir machen das Neue.«
    Ein Segen für Leipzig, daß noch genügend Altes übrig blieb!
    Im Vorwort zum ersten Stadtführer, der nach dem Krieg in Leipzig erschienen ist, hat Oberbürgermeister Dr. Erich Zeigner geschrieben: »… von dem aus, was wir gerettet haben, müssen wir die Neugestaltung unseres gesamten kulturellen Lebens vornehmen … Sorgen wir dafür, daß wir diesen Besitz ganz erfassen und ihn uns und unserem Volk nutzbar gestalten.«
    Zeigner starb 1949. Universitätskirche, Universität, historische Gebäude … seine Nachfolger haben Unwiederbringliches in unserer Stadt im Frieden zerstört.

Die unerwünschte Anstalt
    Neben der ehrwürdigen Universitätskirche mißfiel unserem Staatsratsvorsitzenden auf dem Karl-Marx-Platz eine weitere Einrichtung. Geradezu unwürdig fand er das: gegenüber der Post hatte die Stadt für die dringendsten Bedürfnisse der Bevölkerung eine unterirdische Toilette geschaffen. Darüber war eine Wartehalle mit Zeitungskiosk und Blumenladen entstanden. Diesen Raum schätzten die Leipziger, wenn sie bei Wind und Wetter auf die Straßenbahn warten mußten.
    Der erste Mann des Staates wollte aber nicht, daß unter dem Platz, der nach dem Erfinder des Marxismus benannt worden war, die

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