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Mauer, Jeans und Prager Frühling

Mauer, Jeans und Prager Frühling

Titel: Mauer, Jeans und Prager Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd-Lutz Lange
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»Pförtner«?
    Der Volksmund meinte die Stalin-Statue, die auf dem Platz stand. Ich sah ein Foto: trauernde Werktätige legten nach Stalins Tod dort Kränze nieder. Nicht weit davon entfernt stand ein monumentaler Flaggenmast aus der Kaiserzeit, auf dem eine rote Fahne halbmast aufgezogen war. Hinter der Stalin-Statue ein riesiger Bühnenprospekt mit dem Kreml darauf. Diese Kulisse mußte die Ruine des Neuen Theaters verdecken, an dessen Stelle dann von 1956 bis 1960 die Oper als erster Theaterneubau der DDR errichtet wurde. 1955 wurde das Denkmal wegen der Bauarbeiten eingelagert. Nach einer Renovierung sollte es in der Stalin-Allee (Ludwig-Jahn-Allee) wieder aufgestellt werden. Doch weil Chruschtschow auf dem XX . Parteitag der KPdSU die Verbrechen Stalins enthüllt hatte, kam es nicht mehr dazu. Claus Uhlrich recherchierte für sein Buch »Verschwunden« das Schicksal von Leipziger Denkmalen und hat herausgefunden, daß Stalin im Dimitroffmuseum gelandet war.
    »Hier schienen sich seine weiteren Spuren zu verlieren. Aber nach einem Diavortrag über dieses und andere verschwundene Denkmale erhielt der Verfasser von einer Dame den Hinweis, eine bestimmte Telefonnummer anzurufen. Es meldete sich ein Herr, der damals im VEB Sachsenguß gearbeitet hatte und berichtete, daß im Jahre 1962an einem Sonnabend nach Arbeitsschluß einige ausgesuchte Arbeiter dieses Betriebes noch dableiben mußten. Ein Polizeiauto (!) brachte die Denkmalsteile, die an Ort und Stelle geglüht, zerschlagen und auch gleich eingeschmolzen wurden.«
    Damit war zwar in Leipzig Stalin verschwunden, nicht aber der Stalinismus, der sich noch einige Jahre länger hielt. Das bekam auch Ernst Bloch zu spüren. Zurück zu seinem Vortrag und den »Idioten«: »Die Wirkung ist kaum zu beschreiben. Der Saal explodierte, es ging ein Höllenlärm los. Wir haben geklopft und getrampelt wie besessen, minutenlang kam er nicht mehr zu Wort. In den ersten Reihen herrschte die Ruhe eines Kirchhofs, um Marquis Posa zu zitieren. Die Herren schlichen wie geprügelte Hunde aus dem Saal, und Ernst Bloch ist nichts passiert, rein gar nichts. So groß war die geistige Macht, die dieser Philosoph besaß. Vom Dozenten Schulze oder Lehmann geäußert, hätte der Satz ewiges Verschwinden seines Formulierers bedeutet.«
    Auch Bloch mußte bald verschwinden – die Partei, die immer recht hatte, vergaß nichts. Sein Schülerkreis wurde als konterrevolutionär gebrandmarkt, das Blochsche Institut zerschlagen, und der große Denker ging nach dem Westen. Wie so viele.
    Horst Drescher schreibt über jene Jahre in seinem Text »Hörsaal 40«:
    »Hörsaal 40 gibt es nur noch in unseren Erinnerungen, und diese Erinnerungen zerfallen mit uns, wie so vieles mit unseren Erinnerungen zerfallen wird, wie sie mit einer Generation zerfallen sind, unerinnerbar. Da, wo heute ein kleiner Wald hoher stählerner Fahnenmasten steht an der Grimmaischen Straße, da hat bis zu den Bombennächten der italienische Palast des ›Café Felsche‹ gestanden, das renommierte Kaffeehaus des Leipziger Bürgertums, die feinsten Kapellen und rote Läufer in allen Etagen und Teppiche; vorher war da mal ein Stück Botanischer Garten der Universität. Vor dem Dreißigjährigen Krieg war das ein Friedhof gewesen. Wechselnde Kulissen …«
    In jenem Gebäude, in dem der Hörsaal 40 lag, wurde im Frühsommer 1964 ein Spielfilm gedreht: »Studenten«. Das Drehbuch stammte von Horst Drescher. Die Hauptrollen spielten Doris Thalmer, Jutta Wachowiak und Winfried Wagner.
    »In den Gängen der zwei umlaufenden Obergeschosse lagen Seminarräume, die soliden Türen sind mir erinnerlich; auch sie wären vergessen, wenn nicht die Schienen für Kamerafahrten an einer Reihe dieser dunklen Eichentüren entlang ausgelegt gewesen wären … Durch die tiefen Fenster der umlaufenden Galerien fiel das Sonnenlicht in den ewig düsteren Raum in grellen, phantastisch gebrochenen Schwaden! Die Erinnerung an diese noch als Ruine imposante antikisierende Architektur, die nun wiederum einem antikisierenden Schicksal zum Opfer gefallen war, die Erinnerung wäre mir nicht so bildhaft gegenwärtig, wenn nicht unser Kameramann in einen Berufs- und Berufungsrausch geraten wäre angesichts dieser erstarrten Wasserfälle von Schatten und Licht. Immer wieder zeigt er uns begeistert diese Fluten gebrochener Lichtschwaden in dieser ungeheuren Architektur, mit den Minuten wechselte der Sonnenstand des Szenariums … Bei einer nächtlichen

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