Maurice, der Kater
heißt, nur der sieht es, den sie holen soll.«
»Oh, oh«, sagte eine andere Ratte, deren Nervosität an verrückten
Sarkasmus grenzte. »Und wie sehen die Toten die Knochenratte, hm? Kannst du mir das erklären? Das Leben ist schon schwer genug, auch ohne unsichtbare Dinge, die man nicht sehen kann!«
»Na schön, was ist hier los?«
Die Ratten drehten sich um und waren sehr erleichtert, als sie sahen, dass sich Sonnenbraun näherte.
Sonnenbraun eilte an ihnen vorbei. Er hatte Nahrhaft mitgebracht. Ein Mitglied seiner Gruppe, so meinte er, konnte nie früh genug sehen, was mit Leuten geschah, die Fehler machten. »Ich verstehe«, sagte er und sah zu der Falle. Traurig schüttelte er den Kopf. »Was sage ich euch immer wieder?«
»Dass wir durch keine Tunnel gehen sollen, die noch nicht markiert sind, Chef«, sagte Tomate. »Aber Frisch… Er ist, äh, er war nie ein guter Zuhörer. Und er wollte keine Zeit verlieren, Chef.«
Sonnenbraun untersuchte die Falle und versuchte, weiterhin Entschlossenheit und Zuversicht auszudrücken. Es fiel ihm schwer. Eine solche Falle sah er zum ersten Mal. Sie sah sehr scheußlich aus: kein Hacker, sondern ein Quetscher. Und sie war dort aufgestellt worden, wo eine Ratte, die das Wasser erreichen wollte, auf den Auslöser trat.
»Jetzt kann er nicht mehr zuhören, das steht fest«, sagte Sonnenbraun. »Das Gesicht erscheint mir vertraut. Abgesehen von den hervorquellenden Augen und der ausgestreckten Zunge, meine ich.«
»Äh, heute Morgen, als wir angetreten sind, hast du einige Worte an Frisch gerichtet«, ließ sich eine Ratte vernehmen. »Du hast ihm gesagt, seine Mutter hätte ihn dazu erzogen, ein guter Pinkler zu sein, Chef.«
Sonnenbrauns Miene blieb ausdruckslos. Nach einigen Sekunden sagte er: »Wir müssen weiter. Überall finden wir Fallen. Wir kommen später zu euch zurück. Niemand geht durch den Tunnel dort, klar? Ich möchte ein ›Ja, Sonnenbraun‹ hören!«
»Ja, Sonnenbraun«, erwiderten die Ratten.
»Und einer von euch hält Wache«, sagte Sonnenbraun. »In dem Tunnel könnte es noch mehr Fallen geben.«
»Was sollen wir mit Frisch machen, Chef?«, fragte Tomate.
»Esst nicht das wabbelige grüne Ding«, sagte Sonnenbraun und eilte fort.
Fallen!, dachte er. Es gab zu viele davon. Und zu viel Gift. Selbst die erfahrenen Mitglieder seiner Gruppe wurden nervös. Es gefiel Sonnenbraun nicht, auf unbekannte Dinge zu stoßen. Unbekannte Dinge wurden zu bekannten Dingen, wenn sie einen töteten.
Die Ratten breiteten sich unter der Stadt aus und mussten feststellen: Dieser Ort unterschied sich von allen anderen Orten, die sie jemals besucht hatten. Hier schien alles eine einzige riesige Falle zu sein. Sie hatten keine überlebenden Kiekies gefunden, nicht eine einzige. Das war nicht normal. Überall gab es Ratten. Wo Menschen lebten, lebten auch Ratten.
Außerdem verbrachten die jungen Ratten zu viel Zeit damit, über… Dinge nachzudenken. Über Dinge, die man nicht sehen oder riechen konnte. Über Schattendinge. Sonnenbraun schüttelte den Kopf. In den Tunneln gab es keinen Platz für solche Gedanken. Das Leben war real und praktisch. Man konnte das Leben sehr schnell verlieren, wenn man nicht aufpasste…
Er bemerkte, wie sich Nahrhaft umsah und schnupperte, als sie an einem Rohr entlanggingen.
»So ist es richtig«, sagte Sonnenbraun anerkennend. »Man kann nicht vorsichtig genug sein. Man sollte es nie zu eilig haben. Vielleicht hatte die Ratte vor einem Glück und den Auslöser verfehlt.«
»Ja, Chef.«
»Aber sei auch nicht zu besorgt.«
»Er sah schrecklich… flach aus, Chef.«
»Narren haben es eilig, Nahrhaft. Narren haben es eilig…«
Sonnenbraun spürte, wie sich die Furcht ausbreitete, und das besorgte ihn. Wenn die Veränderten in Panik gerieten, so gerieten sie als Ratten in Panik. Und die Tunnel unter der Stadt waren nicht der geeignete Ort für ängstliche Ratten. Aber wenn eine Ratte die Kontrolle über sich verlor und loslief, so würden ihr die meisten folgen. In den Tunneln gab der Geruch den Ausschlag. Wenn alles gut ging, fühlten sich alle gut. Wenn Furcht ins Spiel kam, strömte sie wie Wasser hin und her, floss überallhin. In der Rattenwelt war Panik eine Krankheit, mit der man sich zu leicht anstecken konnte.
Die Situation verbesserte sich nicht, als Sonnenbraun und Nahrhaft zum Rest der Gruppe aufschlossen. Diesmal war ein neues Gift gefunden worden.
»Keine Sorge«, sagte Sonnenbraun, dessen Besorgnis wuchs. »Wir
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