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Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen

Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen

Titel: Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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bisher erlebt hatte. Wahrscheinlich versammeln sich auch auf dem Planeten Jupiter siebenbeinige Außerirdische in eisigen Hallen, die nach Chlor stinken, dachte er, mit kreischenden Mikrophonen und Gestalten, die verzweifelt an Türen ÆΣδten, auf denen mit großen Buchstaben »ßΩø« stand.
    Im Saal waren auch ein oder zwei seiner Lehrer. Es war faszinierend. Er hatte sich nie richtig vorstellen können, daß sie außerhalb der Schule irgend etwas taten. Man konnte die Leute nie richtig einschätzen, genausowenig, wie man die Tiefe eines Teiches einschätzen konnte, von dem man nur die Oberfläche sah. Er erkannte auch ein oder zwei Leute, die ab und zu auf dem Friedhof mit ihren Hunden spazierengingen oder einfach nur auf der Bank saßen. Sie wirkten irgendwie fehl am Platz.
    Dann gab es noch ein paar Leute von der Vereinigten Holding GmbH und einen Mann vom städtischen Bauamt sowie die Vorsitzende der städtischen Verwaltungsbehörde, die Mrs. Liberty verdammt ähnlich sah und die, wie sich herausstellte, Miss Liberty hieß. (Johnny überlegte, ob Mrs. Liberty wohl ihre Urgroßmutter war, aber er konnte sie ja wohl kaum fragen; es hätte keinen besonders guten Eindruck gemacht zu sagen: »Heh, Sie sehen genau wie diese tote Dame aus, sind Sie irgendwie verwandt?«.)
    Sie wirkten überhaupt nicht fehl am Platze. Sie schienen an öffentliche Auftritte gewöhnt zu sein.
    Johnny fand es ausgesprochen schwierig, ihnen zuzuhören. Das Pockpock aus der Squash-Halle auf der anderen Seite zerriß die Sätze wie ein Schwall von Punkten, und jedes Rattern der Tür war wie ein Semikolon.
    »– bessere Zukunft. Für die jungen Leute; unserer Stadt –«
    Die meisten im Saal waren mittleren Alters. Sie hörten den Rednern sehr aufmerksam zu.
    »– versichern den Bürgern… von Blackbury; daß… Wir… Bei der Vereinigten Holding GmbH; größten Wert… auf die öffentliche; Reinigung… legen und nicht; vorhaben –«
    Die Wörter sprudelten nur so. Er konnte fühlen, wie sie den Raum füllen.
    Und danach – sagte er sich – danach, übermorgen, wird der Friedhof geschlossen werden, egal, was hier noch gesagt wird, und in der Vergangenheit verschwinden, genau wie die alte Stiefelfabrik. Und dann würde die Vergangenheit zusammengerollt und in alte Zeitungen verpackt abgelegt, genau wie die Kameraden von Blackbury. Wenn nicht irgend jemand etwas tat.
    Aber das Leben war schon schwer genug. Sollte doch ein anderer etwas sagen.
    »– nicht einmal ein besonders
gutes
Beispiel. Von edwardinischer Grabskulptur. Mit –«
    Die Worte würden den Saal so lange füllen, bis sie über die Köpfe der Leute gestiegen waren. Es waren weiche, beruhigende Worte. Bald würden sie über den Hüten und Mützen zusammenschlagen und die Leute würden dahocken wie Seeanemonen unter Wasser.
    Sie waren hergekommen, um etwas zu sagen, auch wenn sie nicht wußten, wie sie es sagen sollten.
    Also sollte er sich lieber zurückhalten.
    Nur, wenn man sich zurückhielt, versank man in den Worten anderer Leute.
    »– voll in Rechnung… Gezogen; in jeder Phase des Planungsprozesses –«
    Johnny stand auf, weil es die einzige Möglichkeit war, nicht zu ertrinken. Er fühlte, wie sein Kopf durch die Flut von Worten brach, und er holte tief Luft.
    »Entschuldigen Sie bitte?« sagte er.
     
    Der »Weiße Schwan« in der Cable Street, jahrelang als »Graue Ente« bekannt, war ein traditioneller englischer Pub mit einem »Nuke the Gook«-Videospiel, an dem sich vermutlich schon Shakespeare persönlich vergnügt hatte. Es war brechend voll, und der Lärm der Jukebox und elektronischer Explosionen füllte den Raum.
    In einer Ecke saß die verrückte alte Mrs. Tachyon, zwischen das Videospiel und die Wand gequetscht, mit einem schwarzen Filzhut und einem Glas Guiness in der Hand.
    Verrückt ist ein Wort, das man auf Leute anwendet, die entweder gar keine Vernunft mehr haben oder erheblich mehr als alle anderen.
    Mrs. Tachyon war die einzige im Raum, die den Temperatursturz bemerkte. Sie blickte auf und grinste mit ihrem einzigen Zahn.
    Ein Schwall kalter Luft schob sich durch den überfüllten Raum bis zur Jukebox. Für einen kurzen Moment bildete sich eine Eisnebelschicht darüber.
    Ein neues Lied fing an.
    »›Die Rosen der Picardie‹«, sagte Mrs. Tachyon glücklich. Ein Lied aus unserer Jugend. »Ja!«
    Sie sah zu, wie die Leute sich um die Maschine drängten und anfingen, darauf herumzuklopfen. Dann zogen sie den Stecker, was keinen Effekt

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