Mayabrut (German Edition)
herauskam, hatte sie einen verklärten Blick.
Cara schüttelte erstaunt den Kopf. Wie schnell diese beiden Frauen, die ja verschiedener gar nicht sein konnten, zum gemeinsamen Kaffeekränzchen beziehungsweise Kakaokränzchen gefunden hatten. Sicherlich erörterten sie dann bei einem Tässchen Kakao ihre Frauenprobleme, folgerte er genervt.
Auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, er sehnte sich nach Cholas Gesellschaft, da sie sich mittlerweile sowohl sprachlich als auch sonst gut verstanden. Andererseits wirkte Chola oft abwesend, als ob sie auf irgendetwas wartete.
Dann schien das Warten vorbei zu sein. Es war an diesem Tag besonders heiß und schwül. Dauernd musste er sich mit seinem Sommerponcho den Schweiß von der Stirn tupfen, während Chola ihm die Siedlung zeigte. Die Dorfbewohner winkten ihnen schon von Weitem freundlich zu, während die Kinder sofort zu ihnen kamen und sie eng umlagerten. Kichernd blinkert en die Mädchen mit rosa Spiegeln, während die Jungs mit kleinen, roten Taschenmessern herumfuchtelten. Vor einer Hütte saß eine Frau und webte. Interessiert studierte Cara, wie geschickt sie mit einem Rückengurt-Webgerät hantierte. Während sie den oberen Teil mit einem Strick am Dach befestigt hatte, spannte sie mit einem um ihre Hüfte geschwungenen Gurt die Fäden.
Chola zog ihn fort, aber an der nächsten Hütte stoppte Cara erneut. Dort nähte eine Mutter für ihre Tochter einen Huipil. Wenig später warf sie dem Mädchen das ponchoartige Kleid über und die Kleine juchzte laut auf. Erst jetzt bemerkte Cara, dass die jüngeren Bewohner des Yäx Tyuñ Tals neue, farbenprächtige Huipilis trugen, während die Kleidung der Alten nur noch aus Fetzen und Flicken bestand. Auch Cholas Kleid hatte zuvor eher einem Fischernetz als einem Gewand geähnelt, erinnerte er sich. Stolz erfüllte ihn, denn Eds himmlische Präsente hatten den Maya nicht nur die Möglichkeit gegeben, sich neu einzukleiden, sondern hatten ihnen auch ihre Würde zurückgegeben.
Als sie weitergingen, kam ein Mädchen auf sie zu und bot ihnen Tortillas an. Die Maiskuchen dufteten verführerisch und auf der goldbraunen Kruste glitzerten weiße Kristalle – Salz. Alle Mayafrauen, einschließlich Chola, streuten Unmengen davon auf ihre Speisen, so als ob sie dadurch den jahrelangen Entzug kompensieren wollten.
Chola, die eigentlich genau solch salzige Leckereien liebte, lehnte die Gabe höflich ab und zog ihn weiter. Verwundert und ein wenig verärgert folgte er ihr.
In der Nähe des Bergsees liefen sie dann einigen Männern in die Arme, die ihnen ihre Geschicklichkeit im Umgang mit den neuen Werkzeugen demonstrierten. Äxte und Hämmer sausten durch die Luft, überschlugen sich und wurden wieder aufgefangen. Einige fällten um die Wette die letzten Kakaobäume, während andere aus den gefällten Stämmen Bretter fertigten. Die Maya auf den Maisfeldern winkten schon von Weitem mit ihren Hacken und Spaten. Die Bewohner des Yäx Tyuñ Tals waren, ohne es zu wissen, in der Eisenzeit gelandet, folgerte Cara nachdenklich.
Chola führte ihn zu einem winzigen Feld, das sich nahe des Bergsees befand. Andächtig flüsterte sie: „K-chol.“
„Das ist dein Maisfeld?“ Verdutzt schaute er sie an.
„Eigentlich gehört es Mutychäk“, dabei zeigte sie auf die am Weg stehende Hütte, „aber die ist schon alt. Sie hat mir das Feld vor ein paar Jahren überlassen. Dafür gebe ich ihr die Hälfte von meiner Ernte ab.“
Cara wischte sich mit dem Sommerponcho den Schweiß ab und schaute auf den hinter Mutychäks Hütte glitzernden Bergsee.
„Vidal, komm doch.“ Sie nahm ihn an der Hand und führte ihn durch ihre Pflanzungen. Das, was sie ihm hier zeigte, war die für die Maya so typische Milpa-Mischkultur, die in der Regel aus drei verschiedenen Feldfrüchten, den sogenannten drei Schwestern, bestand.
Bei Chola hangelten sich am mannshohen Mais Bohnen hinauf, während die großen Blätter der Kürbisse den Boden abdeckten und ihn vor Austrocknung schützten. Die Bohnen lieferten dem Mais Stickstoff, während dieser für sie als lebende Ranghilfe fungierte – eine perfekte symbiotische Lebensgemeinschaft.
Sofort tauchten vor seinem geistigen Auge die grünen Untermieter Akälajaws auf; die auf dieser Erde vielleicht bizarrste symbiotische Kommune.
Chola zog sanft an seinem Arm und bot ihm eine Chilischote an, in die er gedankenverloren hineinbiss. Scharfer Schmerz flutete seine Zunge. Er japste nach Luft und ein
Weitere Kostenlose Bücher