Mayabrut (German Edition)
Pamphlet glich jedoch eher einer primitiven Fälschung, die aber so stümperhaft war, dass dies sogar ein Laie erkannt hätte. Auf den hinteren Seiten entdeckte er dann sogar einige spanische Wörter und Redewendungen.
„Chola, was ist das?“
Am Anfang stockte sie, aber dann sprudelte es so schnell aus ihr heraus, dass er den Wortfluten kaum noch folgen konnte. Soweit er es verstanden hatte, war dieses Mayabuch ehemals der Kalender ihres Vaters, den sie nicht nur weitergeführt hatte, sondern nun auch als Tagebuch nutzte. Mit Toris Hilfe hatte sie darin auch spanische Vokabeln und Redewendungen vermerkt. Stolz wies sie in dem Kalender auf zwei Tage, die ein roter Kreis zierte – den Tag ihrer Geburt und den Zeitpunkt, an dem sie zur Frau erblüht war.
Cara stutzte über Cholas kindliche Naivität und Offenheit.
Außer den beiden rot umkreisten Daten bemerkte er Dutzende geschwärzte Tage. Arglos fragte er sie: „Diese schwarzen, was bedeuten die?“
Ihr Lächeln erstarb. Sie senkte den Kopf und schluchzte: „Akälajaw …“
Geschockt studierte er die Zeichen. Als sie mit dem zweiten roten Kreis den Beginn ihrer Regel gekennzeichnet hatte, war sie zwölf Jahre alt gewesen, und der darauffolgende Tag war schwarz ausgemalt.
Chola bebte. Zärtlich umarmte er sie und spürte, wie ihre Tränen auf seiner H aut brannten. Dieses Dreckschwein, dieses gottverdammte Vieh, brodelte es in ihm. Hilflos strich er ihr über das Haar. All ihr Leid, all ihre Qualen stürzten auf ihn ein und rissen ihn mit. Er, der stolze Don Emerald, fing an zu weinen. Und während er über ihre dunklen Haare strich, um sie zu trösten, brach aus ihm sein eigenes Leid heraus. Der Tod seiner Eltern, das Massaker in seiner Mine, Marias Tod …
Aber schon nach seinem ersten Schluchzen verharrte Chola und richtete sich auf. Verwundert berührte sie sein Gesicht und strich ihm die Tränen weg. Er schämte sich und versuchte, die Situation zu überspielen: „Chola, geht’s wieder?“
„Ja.“ Enttäuschung huschte über ihr Gesicht. Bissig wischte sie ihre Tränen weg und schwieg.
Idiot, schalt er sich. Sie hatte ihn trösten wollen, und er mimte auf einmal den obercoolen Macho. Krampfhaft überlegte er, wie er sie ablenken konnte. Ihr Tagebuch fiel ihm wieder ein. „Chola, wer hat dir das Schreiben beigebracht?“
Sie schnäuzte sich und wischte sich die Tränen fort: „Mein Vater, Tyañmel.“
Er überlegte, Tyañmel, dieser Name bedeutete Kalkmacher. Wieso konnte ein gewöhnlicher Arbeiter Mayaglyphen schreiben und einen Kalender führen?
„Chola, war dein Vater ein Schreiber?“
„Nein, die männlichen Mitglieder unserer Familie arbeiteten seit Generationen als Steinmetze und Maurer für Akälajaw. Dazu gehörte die Kunst des Kalkbrennens, aber auch die genaue Kenntnis der Schriftzeichen. Trotz der Todesdrohungen von Akälajaw haben sie dieses Wissen innerhalb der Familie weitergegeben; und so lehrte es mein Vater auch mich.“
Sie saß jetzt im Schneidersitz vor ihm und faltete fahrig ihr Tagebuch zusammen. Dann stand sie auf und schob es zurück in die Felsspalte. Sie fingerte eine Weile in dem felsigen Versteck und kam wieder zurück. Als sie vor ihm stand, hielt sie ihm ihre geschlossene Hand entgegen, langsam öffnete sie die Finger und strahlte: „Schau Vidal, Sonnentränen.“
G oldene Körner glitzerten vor ihm auf - Berggold! Erregt lief er zur Wand. Ein Sternenmeer aus Goldkristallen strahlte ihn an. Sie funkelten durch das sich im Wasser brechende Sonnenlicht wie echte Sterne. Begeistert drehte er sich um und schwärmte von den legendären Goldfunden in Alaska. Chola schwieg und betrachtete interessiert, nein verstört seinen Intimbereich.
Wie ein gefühlloser Depp sprang er hier nackt vor ihr herum, er schämte sich, er schämte sich, ein Mann wie Akälajaw zu sein. Dieses Vieh hatte Chola seit Jahren geschröpft bis sie das Bewusstsein verlor und auf das Übelste missbraucht. Tropfen für Tropfen waren ihr Blut, ihre Seele und vielleicht auch ihre Liebe in seinem pelzigen Maul verschwunden.
Beschämt bedeckte er seine Männlichkeit, ein Körperteil, das Chola bisher nur Qualen bereitet hatte. Zögerlich tippelte er auf das weiche Lager zu. Bevor er aber dessen sichere Deckung erreichen konnte, schnitt sie ihm den Weg ab. Sanft umarmte sie ihn und schmiegte sich an seine behaarte Brust. Unbewusst versteifte er sich und spürte, wie Chola seinem Herzschlag lauschte. Sein Herz raste ihr entgegen. Kraftlos
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